SRF: Das Virus breitet sich in Nigeria längst nicht so stark aus wie in den anderen Ländern. Hat Nigeria das tödliche Virus unter Kontrolle?
Katrin Gänsler: Die Regierung Nigerias hat sehr schnell Massnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit ergriffen. Nach fünf Wochen kann man sagen, dass diese Massnahmen tatsächlich zu wirken scheinen.
Was für Massnahmen sind das?
Die Regierung hat zum Beispiel den ersten Ebola-Infizierten, der aus Liberia eingereist war, sofort isoliert. Die Verantwortlichen realisierten rasch, dass es Ebola sein könnte. Dadurch sind sehr schnell Isolierungsstationen in Lagos errichtet worden.
Darüber hinaus gibt es im ganzen Land Aufklärungskampagnen. Es werden zum Beispiel Millionen von Textnachrichten verschickt, wie man Ebola vermeiden kann. Und in öffentlichen Gebäuden gibt es mittlerweile Desinfektionsmittel. Überall wird man darauf hingewiesen, die Hände zu waschen. Das tun viele Leute auch. Dazu kommt, dass man sich zur Begrüssung meist gar nicht mehr die Hand schüttelt, weil man eine mögliche Übertragung vermeiden möchte.
Konnte Nigeria von den Erfahrungen der anderen westafrikanischen Länder profitieren?
Auf jeden Fall. Man hatte sicher die anderen Länder als Schreckensszenario vor Augen. Dazu kommt auch, dass Nigeria einfach Glück hatte. Der erste Ebola-Fall ist in Lagos aufgetreten. Dort gibt es eine gute medizinische Versorgung. Es ist nicht so gewesen wie in Guinea, wo dies in einem Dorf passierte. Anfangs wusste man überhaupt nicht, ob es Ebola war oder vielleicht Malaria.
Warum handelt die Regierung Nigerias so rasch und effizient? Die Lage ist ernst, aber gibt es auch andere Gründe?
Es gibt einen anderen Grund. Ebola lenkt im Moment von Nigerias eigentlichen Problemen ab. Und das sind in erster Linie die Terroristen der Gruppe Boko Haram im Norden des Landes. Über Boko Haram hat man seit dem ersten Ebola-Fall in Nigeria kaum noch gesprochen. Es wird auch nicht mehr darüber gesprochen, wie es den entführten Mädchen von Chibok geht, die nach wie vor in den Händen der Terrorgruppe sind.
Für den Präsidenten Nigerias, Goodluck Jonathan, war dieser Ebola-Ausbruch eine gute Möglichkeit, sich als starker Mann zu präsentieren. Als jemand, der sich kümmert und Sofortmassnahmen gegen das Virus ergreift. Dafür hat er auch viel Geld zur Verfügung gestellt. Das hat alle anderen Probleme, die das Land hat, in den Hintergrund gerückt. So zynisch es klingen mag: Für den Präsidenten war das ein gutes Ablenkungsmanöver.
Das Gespräch führte Romana Costa.