An den Schildern im Konferenzsaal merkt man schnell, dass der Klimawandel vor allem Afrika, Asien und Südamerika beschäftigt. Länder aus diesen Teilen der Welt sind an der Abschlusskonferenz der Nansen-Initiative in Genf besonders zahlreich vertreten.
Bangladesch schickte gar seinen Aussenminister nach Genf, Abu Hassan Mahmud Ali: «Wenn der Meeresspiegel um mehr als zwei Meter ansteigen würde, hätten alleine in Bangladesch 30 Millionen Menschen kein Land mehr unter den Füssen, das ist ein Drittel der Bevölkerung.» Sie würden ihre Region hauptsächlich gegen Norden in Richtung Hauptstadt verlassen. Doch Dhaka mit bereits 20 Millionen Einwohnern könne kaum noch mehr verkraften.
Die Idee von Klimaflüchtlingsströmen von bis zu einer halben Milliarde sind nicht realistisch, sondern Panikmache.
Bangladesch sei ein gutes Beispiel, sagt Walter Kälin, Völkerrechtsprofessor und Gesandter der Nansen-Initiative. Denn Klimaflüchtlinge blieben zum grössten Teil im Land. «Die Idee von Klimaflüchtlingsströmen von bis zu einer halben Milliarde sind nicht realistisch, sondern Panikmache.»
Doch mit dem Klimawandel nimmt der Druck zu. Mehr Menschen könnten gezwungen sein, ihr Land zu verlassen – Stichwort Klimaflüchtlinge. Diese aber existieren im Völkerrecht nicht, denn die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nur für Menschen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugungen fliehen.
Kein neuer Begriff nötig
Müsste der Flüchtlingsbegriff künftig auch auf Naturkatastrophen ausgeweitet werden? Hier gebe es einen weltweit breiten Konsens unter den Staaten, dass abgesehen von Ausnahmesituationen das Flüchtlingsrecht nicht das richtige Instrument sei, erklärt Kälin weiter.
Denn anders als bei Kriegsflüchtlingen könne man bei Klimaflüchtlingen in der Regel noch mit den Regierungen verhandeln. Auch seien die Ursachen häufig zu unterschiedlich, als dass man eine gesamtheitliche Lösung finden könnte: Erdbeben in Haiti oder Nepal etwa, Trockenheit in Somalia, Stürme in Südostasien.
Interesse an regionalen Lösungen spürbar
Die Nansen-Initiative zählt deshalb viel mehr auf bilaterale und regionale Übereinkommen zwischen Herkunfts- und Zielstaaten. «Wir haben gespürt, dass es solche Übereinkommen nicht demnächst geben wird. Aber es gibt ein Interesse zwischen den Staaten, diese Diskussionen zu führen», berichtet Kälin. Es mache also angesichts der grossen Unterschiede viel mehr Sinn, regional anzusetzen.
Die Nansen-Initiative stellt fest, dass bereits 53 Länder Katastrophenvertriebene entweder aufgenommen oder zumindest nicht zurückgeschickt haben. Das ist fast jeder vierte Staat.
Auf die Eigenverantwortung der Menschen zu setzen, ist ein ganz guter Kompromiss.
Vorzeigebeispiel ist laut Kälin Lateinamerika. So habe etwa Brasilien viele Menschen aus Haiti aufgenommen und ihnen erlaubt zu arbeiten. Gleichzeitig habe die Regierung klar gemacht, dass nach fünf Jahren noch nicht Integrierte in die Heimat zurück müssten.
Und die Schweiz? Das Schweizer Recht kennt keine solche explizite Regelung. Hätte die Schweiz Asylgesuche wegen Umweltkatastrophen, würden diese Leute wohl unter die vorläufige Aufnahmen fallen, meint Kälin, da man sie aus humanitären Gründen nicht zurückschicken könne.
Burkhalter: pragmatische Initiative
Das sei aber nicht im Fokus der Schweiz, sagt Aussenminister Didier Burkhalter: Es heisst nicht, dass Schutzbedürftige in die Schweiz kommen müssen. Vielmehr müsse Ländern wie Haiti vor Ort geholfen werden, damit sie sich gegen Naturkatastrophen schützen könnten.
Die Nansen-Initiative wurde von der Schweiz mitinitiiert mit dem Ziel, das Problem der von Umweltkatastrophen Vertriebenen aufs internationale Tapet zu bringen. Ende Jahr kommt die Initiative zu ihrem Ende.
Laut Burkhalter ist ein Follow-Up dieser «sehr pragmatischen Initiative» wahrscheinlich möglich. So könnten die guten Beispiele gezeigt werden. Wie dieses Follow-Up aussehen soll und ob es überhaupt eines gibt, wird in Genf noch diskutiert.