Gross war die Aufregung in Berlin heute Morgen. Der «Spiegel» meldete, die Regierung Merkel werde sich durch Regierungssprecher Steffen Seibert von der Armenienresolution des Bundestages distanzieren, die von einem Völkermord an den Armeniern 1915 durch die Türkei spricht.
Der Sprecher werde betonen, die Resolution sei für die Regierung rechtlich unverbindlich. Die Reaktionen der Türkei waren nach der Armenienresolution so heftig ausgefallen, dass sogar der Flüchtlingsdeal indirekt in Frage gestellt wurde und die Parlamentarier die Bundeswehr im Einsatz gegen den IS auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik nicht mehr besuchen durften. Am Mittag sagte Seibert dann: «Da wird fälschlich behauptet, die Bundesregierung wolle sich von der Armenien-Resolution distanzieren. Davon kann keine Rede sein.»
Dementi und doch durchgezogen
Regierungssprecher Steffen Seibert
Danach unterstrich er mehrfach, natürlich sei die Resolution unverbindlich und der Sprecher des Aussenministeriums betonte in einer vorbereiteten Erklärung, wie wichtig gute Beziehungen zur Türkei seien und wie sehr es die Bundesregierung begrüsse, dass bald wieder ein türkischer Botschafter nach Berlin entstand werde.
Das klang sehr nach Konfliktbeilegung und einer Distanzierung von der Armenienresolution des eigenen Parlaments. Ein Reporter wandte darauf ein. «Wir haben nun die Situation, dass Sie die Berichterstattung zwar dementieren und andererseits genau das tun, was da gesagt wurde.»
Es ist tatsächlich bizarr, dass Regierungssprecher Seibert mehrfach unterstrich, es sei doch eine Banalität und schon lange auf der Homepage des Bundestags nachzulesen, dass eine Resolution des Bundestags nicht rechtsverbindlich sei und, dass er gleichzeitig betonte, es bestehe ein enormes Informationsbedürfnis dazu seitens der türkischen Regierung. Das glaubte im Saal niemand. Und so verlegten sich die Sprecher auf Abwehr: «Ich verweise auf das, was ich vorhin schon gesagt habe.»
Zwei türkischstämmige Abgeordnete unter Polizeischutz
Nach der Armenienresolution mussten die Parlamentarier mit türkischen Wurzeln unter Polizeischutz gestellt werden. Und mindestens zwei sind es heute noch. Weil sie als deutsche Staatsbürger und Parlamentarier das vielleicht grundlegendste Recht in einer Demokratie ausgeübt hatten, im Parlament frei zu entscheiden. Nun kamen die Morddrohungen zwar nicht von der offiziellen Türkei, aber Präsident Erdogan hat die Abgeordneten mit türkischen Wurzeln und deutschen Pass massivst kritisiert. Zu diesem Thema war heute nichts zu hören.