Sichtlich wacklig verlässt Papst Franziskus den Flieger, kein Winken zu den zigtausenden Menschen am Flughafen von El Alto. Hier auf 4000 Meter Höhe ist die Luft dünn, da ist schon mancher umgekippt.
Kokablätter zur Begrüssung
Zudem fehlt dem Argentinier ein Teil des rechten Lungenflügels. Als er als zweiter Papst nach Johannes Paul II. (1988) bolivianischen Boden betritt, umarmt ihn sofort Präsident Evo Morales. Und der frühere Kokabauer hängt ihm einen Beutel mit Kokablättern um, die sollen gegen die Höhe helfen.
Während Franziskus mit dem Kokabeutel um den Hals müde den militärischen Klängen lauscht, reckt Morales beim Abspielen der bolivianischen Hymne die linke Faust. Ein sehr schräger Empfang. Noch dazu lässt die Kapelle blecherne, schiefe Klänge ertönen.
Feiertag in La Paz
Später geht es dann runter in das auf 3600 Meter gelegene La Paz. Hunderttausende säumen die Strassen, singen – viele hatten in Zelten entlang der Strecke übernachtet. In einer Kurve der einzigen Autobahn Boliviens erinnert er an einem Mahnmal an Luis Espinal, der sich für Demokratie in Bolivien einsetzte und 1980 mit 17 Schüssen getötet wurde. Wie Franziskus ein Jesuit.
Wo er auftaucht, wird der 78-jährige Argentinier frenetisch gefeiert. In La Paz war der Tag seines Besuchs zum Feiertag erklärt worden. Sehr gefragt sind Selfies mit «El Papa».
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Signal an linke Regierungen
Immer wieder betont er die Bedeutung der Familie, des Miteinanders, fordert keine Ausbeutung der Bodenschätze aus Profitgier und geisselt die Boshaftigkeiten der Welt. All die Konflikte dieser Welt seien Ausdruck «eines Individualismus, der uns trennt und uns gegeneinander stellt». Hoffnung, Ihr seid nicht vergessen – und das Signal an die linken Regierungen, niemanden auszuschliessen oder zu unterdrücken, das sind seine Botschaften.
Neben landestypischen «Produkten» wie Kokablättern und Lama-Föten gibt es in La Paz zum Besuch ein reiches Sortiment an Papa-Devotionalien. Für einen Boliviano (13 Cent) ist die «Biografia Completa» zu erstehen: Vier Seiten.
Zwei Gesichter eines Präsidenten
Für einen ist die Visite besonders wichtig. Für Morales. Auf den riesigen Bannern, die Franziskus mit seinem Bild begrüssten, war auch Morales' Konterfei zu sehen. Mal klein. Mal ebenbürtig.
Es gibt hier die zwei Gesichter des seit 2006 amtierenden ersten indigenen Präsidenten, der dank der Verstaatlichung etwa des Erdgassektors die Infrastruktur ausgebaut hat. In La Paz gibt es das grösste innerstädtische Seilbahnnetz, mit dem die Menschen aus der Millionenstadt El Alto entspannt hinunter nach La Paz fahren können, statt stundenlang in Bussen zu sitzen.
Morales umschmeichelt Franziskus als «Hermano» (Bruder), als «Papst der Armen» – kappte der Kirche aber Privilegien. Religionsunterricht in staatlichen Schulen wurde gestrichen. Das Verhältnis zu den Bischöfen ist konfliktreich, zumal er die Kirche 2009 am liebsten verschwinden sehen wollte und als Relikt des spanischen Kolonialismus geisselte.
Morales nicht im Papamobil
Viele Geistliche sieht Morales in Opposition zu sich. «Die bolivianische Regierung versucht, einen Keil zwischen die Bischofskonferenz und den Papst zu treiben», meint Markus Zander, Bolivien-Länderreferent beim Hilfswerk Misereor.
Schon bei der Organisation des Besuchs preschte die Regierung vor. Im Papamobil durfte Morales aber nicht mitfahren. Viele Bolivianer vermuten bald einen Anlauf von Morales für eine Verfassungsänderung, um über das bis 2020 laufende Mandat hinaus im Amt zu bleiben. Da kann die Nähe zu dem überaus beliebten Papst nicht schaden.
Besuch in Gefangenensiedlung
Der wiederum hatte schon zu Bischofszeiten in Buenos Aires das Elend der bolivianischen Migranten erfahren. Nirgendwo sollen so viele leben wie in Argentiniens Hauptstadt. Einig sind sich der Papst und der frühere Kokabauer, dass gerade die reichen Staaten mehr tun müssen im Kampf gegen die gefährliche Erderwärmung. Auch die bolivianische Bischofskonferenz war an der jüngsten, als Alarmruf zu verstehenden Umwelt-Enzyklika beteiligt.
Morales dürfte es aber nicht gelegen kommen, dass Franziskus im Tiefland von Santa Cruz, Zentrum der Opposition, am Freitag die umstrittene Gefangenensiedlung Palmasola besuchen wird. Dort sind rund 5000 Gefangene oft ohne rechtskräftiges Urteil weitgehend sich selbst überlassen. Kleine Kinder mit ihren Eltern wachsen in elenden Verhältnissen auf. Das wird ein Schlaglicht auch auf die Regierung werfen, das die Bilder aus La Paz trüben kann.