Die vierte Nacht in Folge ist es in Schweden zu Krawallen gekommen. Nach schwedischen Medienberichten vom frühen Morgen haben die Unruhen inzwischen auf südliche Vororte von Stockholm übergegriffen.
Auch in einigen Stadtteilen der Hauptstadt habe es Zwischenfälle gegeben. Dabei sei mindestens ein Polizist verletzt worden, hiess es. Eine Gruppe von Jugendlichen habe mit Steinen geworfen. Sie hätten Scheiben zertrümmert und Autos angezündet.
Eine Polizeiwache in Stockholm ist letzte Nacht ebenfalls in Brand gesteckt worden. Das Feuer habe jedoch schnell gelöscht werden können. Fünf Unruhestifter wurden festgenommen. Auch in Malmö im Süden Schwedens sind drei Autos in Flammen aufgegangen, wie die Polizei berichtete.
Schüsse auf Rentner als Auslöser
In Husby, einem Vorort im Norden Stockholms, waren die Unruhen am vergangenen Sonntag erstmals aufgekeimt. Hintergrund soll der Tod eines 69jährigen sein, den die Polizei – nach offiziellen Angaben in Selbstverteidigung – erschossen hatte. Nach den tödlichen Schüssen hatten in Husby mehrere Fahrzeuge gebrannt; Jugendliche bewarfen Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mit Steinen.
Ähnliche Szenen zeigten sich wenig später im überwiegend von Immigranten bewohnten Fittja südlich von Stockholm sowie in anderen Vororten. Schwedens Justizministerin Beatrice Ask kündigte an, Gewalt und Vandalismus zu bekämpfen. Angriffe auf Polizisten oder Rettungskräfte seien «inakzeptabel», sagte sie.
Schweden im Wandel
Die jüngsten Ereignisse seien «Ausdruck einer tiefen, sozialen Problematik», erklärt Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann gegenüber Radio SRF. «Hier randalieren junge Menschen ohne Zukunftsperspektive, die in Stadtteilen leben, die so gar nicht unserem Bild des schwedischen Idylls entsprechen.»
Der fürsorgliche Sozialstaat, als der Schweden lange Jahre galt, habe sich schon vor längerer Zeit verabschiedet, sagt Kaufmann weiter. Der Wohlfahrtsstaat sei zwar immer noch stark. Schweden habe aber in den letzten Jahren eine starke Privatisierung und Liberalisierung im Service Public erfahren.
Das bedeutet: «Wer die Sprache nicht gut spricht oder über kein Wissen darüber verfügt, wie das System funktioniert, der erlebt den Staat hauptsächlich als repressiv.» Laut Kaufmann sind es vor allem solche jungen Männer, die jetzt in den Vororten Stockholms randalieren, die das so empfinden.