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Bild 1 von 7. Jalta gilt als die «Perle der Krim». Das 80'000-Einwohner-Städtchen im Süden der Halbinsel ist seit jeher ein beliebter Kur- und Erholungsort – nicht zuletzt auf Grund des subtropischen Klimas. Doch wo sich einst Menschen dicht an dicht drängten, ist heute wenig los. (September 2014). Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 7. Bis zu sechs Millionen Menschen machten 2013 noch auf der Krim Urlaub. Darunter viele gut betuchte Russen. Doch nicht nur die bleiben aus. Schuld daran ist auch der mühsame Weg auf die Krim. Diese kann mittlerweile nur noch per Flugzeug (teuer) oder die Fähre bei Kertsch (lange Wartezeiten) erreicht werden. (September 2014). Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 7. Viele Bewohner der Krim bekamen das bereits im letzten Sommer zu spüren. Viele leben davon, Zimmer an Touristen zu vermieten. Doch weil die ausblieben, fanden sich immer öfter Schilder wie diese: «Günstige Wohnung für 2 Personen, mit Klimaanlage und WiFi» – gesehen in Jalta. (September 2014). Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 7. Angeln ist der russische Volkssport schlechthin. Das war auch zu Zeiten der Ukraine auf der Krim nicht anders. Der Spruch: «Zum Fisch Bier – zum Fischen Wodka» wird vermutlich auch von den Anglern in Sewastopol beherzigt. Jetzt, wo die Zeiten härter sind, bessern viele mit ihrem Hobby den täglichen Speiseplan auf. (Februar/März 2014). Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 7. Bachtschissaraj – der Khanpalast: das Wahrzeichen der Krimtataren. Seit der Besetzung sehen sich die 200'000 Tataren massiven Einschränkungen ausgesetzt. Hausdurchsuchungen sind an der Tagesordnung, religiöse Zentren der muslimischen Minderheit werden geschlossen oder durch russisch beeinflusste ersetzt. Immer wieder wird mit Deportation gedroht. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 7. Die russische Schwarzmeerflotte: In ihr bzw. ihren Stützpunkten auf der Krim sehen viele Experten den wahren Grund der Annexion. Morgenappell auf einem der Kriegsschiffe. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 7. Putin-Euphorie soweit das Auge reicht. Überall in Russland, insbesondere aber auch auf der Krim, werden solche T-Shirts angeboten. (September 2014). Bildquelle: SRF / Peter Gysling.
Viele Menschen auf der Krim begrüssen auch ein Jahr nach dem Anschluss an Russland die Entscheidung des Kremls. SRF-Korrespondent Peter Gysling begleitet die Geschehnisse auf der Halbinsel im Schwarzen Meer und das Leben der Menschen seit mehreren Jahren. Für SRF News zieht er ein Fazit der letzten 12 Monate und den damit einhergehenden Veränderungen.
Die Stimmung
Man ist hier vom Selbstverständnis her mehrheitlich russisch. Die Bindung an das russische Mutterland – auch wenn sie lange Jahre eigentlich gar keine grössere Rolle mehr spielte – ist stärker denn je. Da fällt es bisher auch nicht ins Gewicht, wenn die Preise steigen und die Versorgung sich zunehmend verschlechtert.
Viele schlagen sich als Selbstversorger durch und hoffen schlicht und einfach auf bessere Zeiten. Das ist die Grundstimmung. Daneben gibt es ein paar Intellektuelle, die unzufrieden sind. Aber das ist eine Minderheit.
Wirklich profitiert haben vom Anschluss bisher nur die Pensionäre. Deren Renten wurden an die russischen angepasst. Das Problem ist nur, dass die Erhöhung nahezu komplett von der Teuerung aufgefressen wird. Nichtsdestotrotz sehen sich viele von ihnen als Gewinner.
Die Verlierer
Vor allem die Titularnation, die Angehörigen der muslimischen krimtatarischen Minderheit, werden unter der neuen russischen Herrschaft zum Teil drangsaliert. Zahlreiche Krimtataren haben deshalb die Halbinsel verlassen. Sie fürchten, dass sie – wie einst unter Stalin – auch unter Putin deportiert oder zumindest noch stärker benachteiligt werden könnten.
Ähnlich geht es auch jenen ukrainischen Krimbewohnern. Viele verweigern sich der russischen Staatsbürgerschaft und haben deshalb bisher keinen russischen Pass beantragt.
Die Wirtschaft
Die Krim, das war schon vor dem Anschluss an Russland kein wirtschaftlich starkes Gebiet. Man arbeitete bei der Schwarzmeerflotte – egal ob russisch oder ukrainisch, in der Verwaltung, in der Landwirtschaft oder im Tourismus. Wobei Tourismus in dem Fall nur heisst, dass man als Kellner oder Angestellte in einem der vielen «Sanatorien» tätig war.
Tourismus, das hiess vielfach auch, dass man in der Saison Teile seiner Wohnung oder seines Hauses an Gäste vermietete. Das ist heute etwas schwieriger geworden, denn die Gäste bleiben zunehmend aus. Die internationalen sowieso, aber zunehmend auch jene aus Russland. Denn entweder gibt es nur den Luftweg – der ist aber teuer – oder aber man nimmt die Fähre von Kertsch.
Aber auch das ist mühsam. So waren im letzten Sommer Wartezeiten von bis zu zwei Tagen keine Seltenheit. Das wollen auch viele Russen – bei aller patriotischen Verbundenheit – nicht gerne auf sich nehmen. Zwar versucht man von Seiten Moskaus, durch Werbung Touristen auf die Krim zu bringen, doch diese Anstrengungen sind im vergangenen Sommer zum Teil verpufft.
Gewissermassen stellvertretend für die ausgebliebenen Touristen konnten im vergangenen Sommer viele Zimmer oder leerstehende Wohnungen an Vertriebene aus der Ostukraine vermietet werden, die vorübergehend auf der Krim Schutz suchten. Offiziell verkauft man das Ausbleiben der Touristen als Durststrecke. Bisher schlucken die Einheimischen die bittere Pille. Der nationale Taumel überdeckt bisher vieles.
Die Arbeitslosigkeit
Ich gehe von einer gestiegenen Arbeitslosigkeit aus. Viele Jüngere haben die Halbinsel inzwischen verlassen und sich anderswo eine Arbeit gesucht. Wenn man nicht beim Staat oder Flotte beschäftigt ist, oder seinen eigenen kleinen Landwirtschaftsbetrieb unterhält, sieht es düster aus.
Die Kosten
Die russische Propaganda tut alles, um die Bürger im Glauben zu lassen, man befände sich in einem kriegsähnlichen Zustand. Das muss dann als Rechtfertigung für vieles dienen. Im Moment kann Russland den Anschluss der Krim aus seinen Reserven bezahlen. Aber es ist klar, dass viele Kosten entstanden sind und noch weitere entstehen werden. Doch darüber spricht man ungern.
Hinzu kommt, dass die Wirtschaftspolitik unter Putin alles andere als ein Erfolgsprojekt ist. Er hat es verpasst, die Wirtschaft zu diversifizieren und zu modernisieren. Noch immer müssen Basisprodukte und Lebensmittel in grossem Umfang eingeführt werden.
Russland lebt vor allem von den Einnahmen aus dem Rohstoffexport. Jetzt allerdings, wo die Preise bei Gas und Öl fallen und die Sanktionen des Westens hinzukommen, zeigt sich die Wirtschaftsstagnation immer deutlicher. Aber noch überlagert die patriotische Stimmung alle für Jedermann ersichtlichen Engpässe.
Die Zukunft
Wenn ich heute auf die Krim komme, sehe ich, dass fast alle Symbole, die an Ukraine erinnern könnten, demontiert sind. Überall flattern russische Wimpel. Und das wird sich wohl auf absehbare Zeit nicht ändern – zumindest glaube ich das.
Aber die Ereignisse der letzten Jahrzehnte haben uns auch gelehrt, dass der Lauf der Geschichte nur sehr schwer vorhersehbar ist und uns jederzeit immer wieder überraschen kann. Aber aus meiner Sicht ist die Krim für die Ukraine verloren.
(Sendebezug: SRF 1, 13.03., 21.50 Uhr)