Der Ausblick über die einsame Bucht von Eftalou gehört ihm dieses Jahr ganz allein. Hotelmanager Theofilos Chavoutsiotis führt durch das Café mit den Panoramafenstern. Ausser der Rezeptionistin und einer Reinigungshilfe ist niemand da. Dann durchquert Chavoutsiotis die Bar und das leere Restaurant. Er zupft ein paar welke Blätter von einer Pflanze und murmelt: «Selbst die Natur hat hier aufgegeben.» Es ist Anfang August, und sein Hotel auf der griechischen Insel Lesbos ist nur zu 15 Prozent belegt.
Er könne nicht einmal seine Kosten decken, sagt Chavoutsiotis. «Der Fehlbetrag wird mit jedem Tag grösser.» Er mache nur deshalb weiter, weil er hoffe, dass sich das Blatt irgendwann wende. «Ein kühler Rechner würde das Hotel schliessen.»
Minus von mehr als 60 Prozent
Dieses Jahr haben über 60 Prozent weniger Personen Ferien auf Lesbos gebucht. Die Gäste vom griechischen Festland bleiben der schwierigen wirtschaftlichen Lage wegen bereits seit mehreren Jahren aus. 2016 fehlen nun aber auch die Touristen aus dem Ausland. Betroffen sind neben Hoteliers wie Chavoutsiotis auch Gastronomen, Fremdenführer und Zulieferer. Die diesjährige Tourismussaison sei verloren, sagt Periklis Antoniou, der Vorsitzende des örtlichen Hotelierverbandes.
Erstmals zähle man dieses Jahr weniger Flüge als in einer Saison zuvor, so Antoniou. «Das ist absolut ungewöhnlich.» Letztes Jahr seien pro Woche 35 Charterflugzeuge gelandet, nun seien es zwölf. «Es ist eine Katastrophe, der Tourismussektor der Insel ist wie ausgelöscht.»
Schlechter Ruf
Dabei gehören die Bilder der an den Stränden von Lesbos ankommenden Flüchtlinge der Vergangenheit an. Bereits seit Monaten werden die Ankommenden direkt aus dem Wasser gerettet und in Erste-Hilfe-Stationen im Hinterland gebracht. Die Touristen sehen damit keine Flüchtlinge. Allerdings ist die Insel ihren schlechten Ruf nicht losgeworden. Auch die Tatsache, dass seit dem Abkommen der EU mit der Türkei kaum noch Flüchtlinge in Griechenland ankommen, änderte nichts an der Situation im Tourismus.
Auf Lesbos hofft man nun, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Abmachung mit der EU nicht aufkündigt und dass wenigstens in der Nachsaison etwas mehr Gäste kommen. Für Hotelmanager Chavoutsiotis lässt sich der erlittene Verlust aber nicht mehr wettmachen. «Ich gehe schweren Herzens zu Arbeit, so wie viele andere auch, aber wir lassen uns nichts anmerken, denn unsere Gäste wollen sich hier entspannen und einen angenehmen Aufenthalt haben.» Man sei schliesslich daran interessiert, dass die Gäste zufrieden abreisen würden.
Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben
Zu den geringen Einnahmen dieses Jahr kommen gestiegene Ausgaben hinzu. Im letzten Herbst wurde die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen und Gastronomie erhöht, weil dies die Geldgeber Griechenlands verlangt hatten. Im nächsten Winter steht eine weitere Erhöhung an. Laut Chavoutsiotis geht es nun um alles oder nichts: «Wenn sich nichts ändert, werden wir kommendes Jahr nicht öffnen.» Er habe bereits 14 Angestellte entlassen müssen. «Alle diese Menschen und ihre Familien lebten vom Tourismus – eine andere Einnahmequelle haben sie nicht.»