Der Mann, der am Mittwoch auf offener Strasse in London von mutmasslichen Terroristen ermordet wurde, war ein Soldat der britischen Armee. Das bestätigte die britische Regierung.
Die beiden Verdächtigen wurden kurz nach dem Angriff von der Polizei gestellt und niedergeschossen. Premierminister David Cameron und der Londoner Bürgermeister Boris Johnson gingen von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus, die Entsetzen auslöste.
«Ein Verrat am Islam»
Keine 24 Stunden nach der Tat durchsuchten britische Beamte zwei Anwesen in der Grafschaft Lincolnshire und in Greenwich, im Südosten Londons. Beide Aktionen standen laut Polizei im Zusammenhang mit der Tat.
Nach unbestätigten Informationen aus Regierungskreisen soll es sich bei den beiden Männern um Briten mit Verbindungen nach Nigeria handeln. Sie sollen zu einer radikalisierten Form des Islam konvertiert sein. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass sie Kontakt zu radikalen, islamistischen Terrorgruppen wie Boko Haram in Nigeria gehabt hätten.
Die Männer waren der Polizei bereits vorher bekannt. Das sagte Premierminister David Cameron bei einer Stellungnahme. Er nannte die Tat «ein Verrat am Islam».
Islamfeindliche Aktionen
In der Nacht kam es in Grossbritannien vereinzelt zu islamfeindlichen Aktionen. Ein 43-Jähriger wurde festgenommen, als er mit einem Messer in eine Moschee in der Hauptstadt eindrang, wie ein Abgeordneter auf Twitter berichtete.
Ein zweiter Mann wurde wegen Verdachts auf rassistisch motivierte Sachbeschädigung im Südosten des Landes festgenommen.
Sicherheitskabinett tagt
Cameron berief für Donnerstagmorgen eine zweite Sitzung des Nationalen Sicherheitskabinetts ein, das dann tätig wird, wenn Fragen der nationalen Sicherheit berührt sind. Nach einem ersten Treffen in der Nacht erklärte Innenministerin Theresa May, es sei ein Anschlag «auf alle in Grossbritannien» gewesen.
Es gebe «starke Anzeichen», dass es sich um einen terroristischen Anschlag handle, sagte Cameron. Grossbritannien werde vor Terroristen «niemals einknicken».
Besorgte Königin
Königin Elizabeth äusserte sich «besorgt» über den Angriff, wie ein Palastsprecher mitteilte.
Der britische Fernsehsender ITV strahlte am Abend Amateuraufnahmen mit einem jungen Mann aus, der in seinen blutverschmierten Händen zwei Messer hielt. «Auge um Auge, Zahn um Zahn», rief der Schwarze und forderte zum Sturz der Regierung auf.
Versuch der Enthauptung
Er bedauerte, dass Frauen die Tat ansehen mussten. «Aber in unserem Land müssen unsere Frauen dasselbe ansehen.» Der Mann könnte Afghanistan gemeint haben, wo britische Truppen gegen die Taliban und die Al-Kaida kämpfen. Später ging der Mann zu der Leiche des Soldaten zurück und sprach mit seinem mutmasslichen Komplizen.
Der Anschlag wurde im Woolwich im Südosten der britischen Hauptstadt in der Nähe einer Kaserne verübt. Dort war das Opfer wahrscheinlich stationiert. Medienberichten zufolge versuchten die Angreifer auch, den Mann zu enthaupten. Der Soldat habe ein T-Shirt mit Werbung für Kriegsveteranen getragen.
Krisenstab einberufen
Cameron, den die Nachricht von der Tat in Paris ereilte, sprach von einem entsetzlichen Verbrechen. Er wies Innenministerin Theresa May an, den Krisenstab einzuberufen. Der Regierungschef kürzte seinen Frankreich-Besuch ab und wollte noch am Abend nach London zurückkehren. «Wir haben in unserem Land schon mehrere derartige Anschläge erlebt und wir werden uns dadurch nicht verbiegen lassen», kündigte Cameron entschlossenes Handeln an.
Londons Bürgermeister Johnson sagte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handele es sich um einen Terroranschlag, wie ihn die Millionenmetropole schon mehrfach erlebt habe. Die Polizei räumte den Tatort voller Blutlachen weiträumig ab. Über dem Viertel kreisten Hubschrauber. Die Sicherheitsvorkehrungen an Kasernen wurden verschärft.
«Einsame Wölfe»
Zuletzt hatten im Juli 2005 vier Selbstmordattentäter in U-Bahnen und Bussen Anschläge verübt. Sei rissen 52 Menschen mit in den Tod und verletzten Hunderte andere Personen.
Terrorismusexperten hatten unlängst vor Anschlägen radikalisierter Einzelpersonen gewarnt. Solche «einsamen Wölfe» stellten ein grosses Risiko dar, selbst wenn sie keine direkten Kontakte zur Al-Kaida hätten. Zu diesem Kreis werden auch die Attentäter von Boston vom April gezählt, die bei einem Bombenanschlag auf den Stadt-Marathon drei Menschen töten und mehr als 250 verletzten.
«Das hat nichts mit Gott zu tun»
Die Menschen in Woolwich reagierten entsetzt. «Dass dies in einer lebendigen Grossstadt passieren kann, ist schockierend», sagte ein Frau. Ein junger Muslim legte in der Nähe des Tatorts Blumen nieder. «Das hat nichts mit Gott zu tun. Es zerbricht einem das Herz», sagte er.
Auch der britische Muslimrat verurteilte das Verbrechen. «Nichts rechtfertigt diesen Mord. Barbarische Akte können in keiner Weise mit dem Islam entschuldigt werden», hiess es in einer Erklärung.