Was Jemen derzeit erlebt, ist ein Putsch auf Raten. Zunächst verlor die Regierung die Herrschaft über weite Teile des Landes: im Norden hauptsächlich an die schiitischen Huthi, im Süden an die regionale Filiale des Terrornetzwerks Al-Qaida. Seit September kontrollieren die Huthi weitgehend auch die Hauptstadt Sanaa.
Mögliches Nein zu Rücktritten
Seit Tagen wird der vor zwei Jahren mit grossem Mehr gewählte Präsident Abedrabbo Mansur Hadi von den Rebellen de facto unter Hausarrest gehalten, obschon er ihnen eben erst massive Zugeständnisse gemacht hat.
Nun sahen er und seine Regierungschef Khaled Baha keinen vernünftigen Ausweg mehr und traten zurück. Das Parlament will den Rücktritt aber angeblich nicht akzeptieren und heute zu einer Sondersitzung zusammentreten. Ob sich Hadi und Baha umstimmen lassen, ist völlig offen.
Unklar ist auch, was die Huthi wirklich wollen: Ist es die Macht ohne Verantwortung? Sollen Präsident und Premierminister als blosse Marionetten der Aufständischen im Amt bleiben? Oder wollen die Huthi tatsächlich die volle Herrschaft im Norden Jemens übernehmen, wo die Schiiten in der Mehrheit sind? Das würde eine neue Teilung des Landes bedeuten, das erst 1990 wiedervereinigt worden war.
Gefährliches Machtvakuum
Sicher ist hingegen: Das wachsende Chaos in Jemen macht den Kampf gegen die Al-Qaida-Terroristen fast unmöglich. Es ermöglicht dem Iran, sich auf Seite der Huthi einzumischen.
Die Situation ist auch weltpolitisch brandgefährlich. Dies aufgrund der strategischen Lage von Jemen am Zugang zum Suezkanal, im Rücken der ölreichen Golfstaaten.
Tragisch ist die Lage auch für die Jemeniten selber. Ihr Land ist jetzt schon das ärmste Arabiens und eines der ärmsten der Welt. Dafür, dass sich das in absehbarer Zukunft bessert, besteht kaum noch Hoffnung. Es wird immer wahrscheinlicher, dass bald auch aus Jemen hunderttausende von Flüchtlingen Richtung Europa strömen werden.