Die unhaltbaren Zustände in Italiens Gefängnissen sind seit Jahren ein Thema. Im Land selber, aber auch in Strassburg. Der europäische Menschenrechtshof entscheidet vermutlich nächste Woche darüber, ob er dem Land eine Busse von jährlich bis zu 100 Millionen Euro aufbrummt. Das Geld ginge als Entschädigung an die Gefangenen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert sind.
Fälle müssen neu beurteilt werden
Nun hat das oberste Gericht Italiens entschieden, die Strafen von Dealern von weichen Drogen zu überprüfen. Ausgeschlossen sind Angehörige der organisierten Kriminalität. Bis zu 5000 Gefangene könnten freikommen.
Im Justizministerium in Rom atmet man auf. Zusammen mit weiteren schon eingeleiteten Massnahmen können die überfüllten Gefängnisse nun etwas geleert werden.
Berlusconis harte Hand gegen Kiffer
Dass sie überfüllt sind, hat vor allem mit zwei Gesetzen zu tun: Um sich als «law and order»-Regierung zu profilieren, schaffte Silvio Berlusconi ein Gesetz, das den Handel mit weichen Drogen auf die gleiche Stufe stellte wie den Handel mit harten Drogen.
Die Folge: Kiffer, die ihren Freunden ein paar Gramm Haschisch verkaufen, werden seither gleich hart angefasst wie Händler von Heroin.
Ein anderes Gesetz, von der ausländerfeindlichen Lega Nord durchgeboxt, sieht für illegal Eingewanderte monatelange Haftstrafen vor.
Häftling zieht gegen Italien vor Gericht
Beide Gesetze brachten kaum Lösungen für die Probleme, füllen seither aber die Gefängnisse. Und zwar derart stark, dass es pro Gefangenen im Schnitt nur etwa zwei Quadratmeter Platz hat. Laut EU-Norm müssten es doppelt so viele sein.
Doch Italiens Gefängnisse sind nicht nur überfüllt. Auch die Infrastruktur ist völlig veraltet. Weil das Land wenig Gnade kennt mit Verurteilten, kümmert sich die Politik nicht um den Unterhalt. Ein Gefangener hat wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen in Strassburg geklagt – und recht erhalten.