Am Ostersonntag konnte das syrische Regime verkünden, dass man die Wüstenstadt Palmyra im Zentrum Syriens zurückerobert hat. Möglich wurde dies durch die intensive Unterstützung der russischen Luftwaffe. Der Fall der historischen Stadt ist der jüngste Rückschlag für den IS in einer ganzen Reihe von Territorialverlusten.
- Das US-Sicherheitsanalyse-Institut IHS schätzt, dass der IS im vergangenen Jahr 14 Prozent seines Territoriums verloren hat und allein im Januar dieses Jahres weitere 8 Prozent.
- Die USA haben laut eigenen Angaben in den vergangenen Wochen mehrere Topterroristen der IS-Miliz getötet und so deren Befehlskette geschwächt.
- Die russische Luftwaffe hat gemäss eigenen Angaben seit den Luftangriffen im Herbst 2015 innerhalb von drei Monaten mehr als 380 Ziele des IS getroffen.
Laut dem Nahostexperten Stephan Rosiny vom Hamburger Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (Giga) befindet sich der IS seit zwei Jahren in einem eigentlichen Niedergangsprozess. Erobert habe die IS-Miliz innerhalb dieser zwei Jahre noch die Städte Ramadi und Palmyra – beide sind mittlerweile nicht mehr unter der Kontrolle des IS.
IS geschwächt und damit gefährlich
Für Kriegsreporter und IS-Kenner Kurt Pelda schwächelt der IS vor allem an den Gebietsverlusten entlang der türkischen Grenze. Damit seien wichtige Nachschubrouten für die Kämpfer verloren gegangen – dies habe dazu geführt, dass die Nahrungsmittelpreise innerhalb des kontrollierten Gebietes massiv gestiegen seien. Und durch die Offensive der russischen und syrischen Streitkräfte sei es dem IS auch nicht mehr möglich, Gebietsverluste im Norden mit Neueroberungen im Süden Syriens wettzumachen. Kurz: Es häuften sich die Zeichen dafür, dass es dem IS schlecht gehe.
Genau diese Einengung führe aber zu einer erhöhten Terrorgefahr in Europa, warnt Kurt Pelda:
Die Leute kommen aus dem IS-Gebiet zurück nach Europa und wollen sich rächen. Dies führt zu einer Zunahme von Terror-Attentaten in Europa
Kurzfristig müsse wegen der Rückkehr hunderter von IS-Kämpfern nach Europa mit einer erhöhten Zahl an Anschlägen gerechnet werden. Laut Nachrichtendienst des Bundes sind alleine aus der Schweiz bisher 72 islamistisch radikalisierte Personen in Krisengebiete gereist, um zu kämpfen. 16 sind gestorben, neun davon bestätigt. Weitere reisen in den Konfliktgebieten herum oder sind mittlerweile zurückgekehrt.
Flucht nach vorne
Auch Nahostexperte Stephan Rosiny warnt vor einer erhöhten Anschlagsgefahr, unter anderem in Europa. Den IS bezeichnet er als «religiöse Sekte», die von ihrer Grunddefinition eines expandierenden islamischen Kalifats lebe.
Für die Aufrechterhaltung der Utopie eines expandieren Kalifats versucht der IS, den Terrorismus zu exportieren – beispielsweise nach Europa.
Weil die Stimmung auch innerhalb der Reihen von IS-Kämpfern gesunken sei, sollen Anschläge in westlichen Zentren zudem eine aufrüttelnde Kampfbotschaft an die eigenen Anhänger darstellen. Dazu komme, dass für viele IS-Anhänger der Märtyrertod die direkte Erlösung und damit einzige Option darstelle, wenn im Diesseits keine erkennbare Chance mehr bestehe. Als Beispiel nennt Rosiny die jüngsten Anschläge von Brüssel, die als Panikreaktion der Attentäter gedeutet werden könne. Diese Punkte führen gemäss Rosiny zu einer erhöhten Anschlagsgefahr durch IS-Kämpfer, die nach Europa zurückkehren.
Europäische Staaten gefordert
Für Kurt Pelda wurde in der Vergangenheit beim Kampf gegen Terroranschläge zu wenig Fokus auf die Identitätsprüfung von Flüchtlingen gelegt. Die Nachrichtendienste der europäischen Länder müssten ausgebaut werden, da sich IS-Kämpfer, die aus Europa stammen, neue Pässe besorgten und sich als syrische Flüchtlinge ausgäben.
Stephan Rosiny sieht die Gefahr hingegen weniger bei den Flüchtlingsströmen – der IS habe Flüchtlinge in der Vergangenheit gezielt diskreditiert mit dem Ziel, einen Keil zwischen die europäische Bevölkerung und muslimische Flüchtlinge zu treiben und diese so zu radikalisieren. Stattdessen müssten europäische Staaten eine Lösung für rückkehrende Dschihadreisende erarbeiten.
Diese hätten Europa ja ursprünglich mangels Perspektiven in Richtung IS verlassen. Die Strafverfolgung von Rückkehrern sei zwar unabdingbar – jedoch müssten diesen auch eine langfristige Perspektive geboten werden, damit nicht ein Anschlag als einziger Ausweg aus einem in sich zerfallenden IS-Kalifat erscheine.