Kaum war die Leiche von Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman entdeckt worden, setzten die argentinische Präsidentin und ihr Propaganda-Apparat alles daran, die Sache als simplen Selbstmord darzustellen.
In der Wahrnehmung der Medien und der Bevölkerung war es hingegen eindeutig ein Mord: Ein Staatsanwalt, der in einem 20 Jahre zurückliegenden Bombenattentat mit 85 Toten in Buenos Aires ermittelt und der Präsidentin Cristina Kirchner vorwirft, sie decke die mutmasslichen Auftraggeber aus dem Iran. Und dann stirbt dieser Ermittler mit einer Kugel im Kopf – zwölf Stunden bevor er seine Anklage im Parlament erläutern will.
Ungereimtheiten erschüttern Selbstmord-These
Zudem nähren eine Reihe von Ungereimtheiten die Zweifel an der Selbstmord-These, welche die Präsidentin zunächst mit grosser Vehemenz verfochten hatte:
- Nisman starb an einem Pistolenschuss in die Schläfe, aber an seinen Händen sind keine Rückstände des Mündungsfeuers (Schmauchspuren) nachweisbar.
- Der Staatssekretär für Sicherheit machte sich am Ort des Geschehens lange vor der Polizei und den Untersuchungsbehörden zu schaffen.
- Entgegen der ersten offiziellen Darstellung war ein Dienstboteneingang zur Wohnung des Staatsanwalt nicht verriegelt, sondern offen. Bei einem zweiten Nebeneingang wurden Fuss-und Fingerabdruckspuren registriert.
Und jetzt die Kehrtwende
Normalerweise pfeift die argentinische Präsidentin auf die öffentliche Meinung. In diesem Fall machte Kirchner aber unvermittelt eine Spitzkehre, um spät, aber nicht zu spät, die Wahrnehmung der skeptischen Bevölkerung zu teilen. Denn diese Kehrtwende ist auch eine Flucht nach vorn.
Dazu bringt die Präsidentin eine Verschwörung von Geheimdienstlern ins Spiel, die den Staatsanwalt bewusst auf eine falsche Fährte gelockt hätten mit dem alleinigen Ziel, der Staatschefin zu schaden. So bringt sich Cristina Kirchner geschickt in jene Rolle, in der sie selber das Hauptopfer ist, und nicht mehr der tote Staatsanwalt.
Eine Präsidentin, die anordnet, einen unbequemen Staatsanwalt auszuschalten: Das ist auch im turbulenten Argentinien eher Material für Krimi-Autoren. An der Verschwörungstheorie mag sogar etwas dran sein. Ende 2014 liess Kirchner den zivilen Nachrichtendienst entmachten und säubern. Viele Chefs und Agenten mussten gehen, in der Inlandsaufklärung übernahmen die Rivalen vom militärischen Nachrichtendienst die Federführung.
Für Kirchner steht viel auf dem Spiel
Ob die Wahrheit zum Tod des Staatsanwalts je ans Licht kommt, ist zu bezweifeln. In den letzten Jahren hat Cristina Kirchner die Justiz als unabhängige Instanz schwer unter Druck gesetzt und eigene Vertraute in die Schlüsselpositionen gebracht. Adlaten und Günstlinge, welche die korrupten Machenschaften der Kirchner-Regierung decken.
Jeder Versuch, Licht ins Dunkel um den toten Ermittler zu bringen, würde zumindest teilweise auch den Interessen-Filz der Regierung und ihre Manipulation der Institutionen aufdecken.
Früherer Kirchner-Kritiker verlor Drittel seines Lohns
Ein unerschrockener Richter, der es kürzlich wagte, in den Privatgeschäften der Präsidentin Ermittlungen anzustellen, bekam die Selbstherrlichkeit Kirchners postwendend zu spüren: Er verlor einen Drittel seines Lohns und muss damit rechnen, ganz abgesetzt zu werden.
Die Präsidentin kommentierte diese Konsequenzen schnippisch mit den Worten: «In keinem vernünftigen Land auf der Welt kommt ein Staatsanwalt auf die Idee, gegen die amtierende Staatspräsidentin zu ermitteln.»