Die Ebola-Epidemie wird laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) noch mindestens sechs Monate andauern. «So etwas haben wir noch nie erlebt», sagte MSF-Präsidentin Joanne Liu nach einer zehntägigen Reise durch die Region.
Es brauche eine neue Strategie, denn die Ausbreitung der Krankheit beschränke sich nicht mehr nur auf einige Dörfer, sondern habe jetzt auch Liberias Hauptstadt Monrovia erfasst, eine Stadt mit 1,3 Millionen Einwohnern.
In der betroffenen Region – von Guinea, Sierra Leone bis Liberia – herrsche ein allgemeines Klima der Angst, vergleichbar mit der Atmosphäre während eines Krieges. Und Angst sei kein guter Ratgeber, sagte Liu vor den Medien.
«Infrastruktur versagt»
Die Leute misstrauten sogar den Gesundheitszentren, und MSF fehle es an Personal, um diejenigen Leute aufzuspüren, die mit den Infizierten Kontakt hatten. In Kailahun, einer Grenzstadt im Osten von Sierra Leone, zum Beipsiel müssten sie 2'000 Personen finden, aber ihnen stünden nur Mitarbeiter für die Suche von 250 zur
Verfügung.
«Die Infrastruktur versagt völlig», sagte Liu. Sie appellierte an die internationale Gemeinschaft, alle Mittel zur Bekämpfung der Epidemie zu mobilisieren. «Das muss sofort passieren, wenn wir die Epidemie eindämmen wollen. Und das Engagement muss auf mindestens sechs Monate ausgerichtet sein.»
WHO warnt
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht Anzeichen dafür, dass das Ausmass der Ebola-Epidemie in Westafrika «deutlich unterschätzt» wird. Mitarbeiter vor Ort hätten Hinweise darauf, dass die Zahl der gemeldeten Todesfälle und Erkrankten nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegle, hiess es in Genf.
Die WHO rechnet damit, dass sich die Epidemie in den kommenden Wochen weiter ausbreitet. Die Ebola-Seuche war vor einer Woche zum internationalen Gesundheitsnotfall erklärt worden.
Menschen mit Lebensmittel versorgen
WHO-Chefin Margaret Chan traf sich am Donnerstag mit mehreren UNO-Botschaftern, um über ein Nothilfeprogramm für die betroffenen Länder zu beraten. Zudem prüfen Hilfsorganisationen Möglichkeiten, die Menschen in den Krisengebieten besser mit Lebensmitteln zu versorgen, wie die Weltbank erklärte.
So könnten etwa die Hunger leidende Bevölkerung in Teilen Liberias und Sierra Leones, die zum Schutz vor einer Ausbreitung der Seuche abgesperrt wurden, mit Lebensmittel aus der Luft versorgt werden.
Bislang starben laut der Weltgesundheitsorganisation 1'069 Menschen an Ebola, die meisten davon in Sierra Leone, Liberia und Guinea. 1'975 weitere haben sich demnach mit dem Virus infiziert. Nigeria meldete am Donnerstag einen vierten Ebola-Toten.