Tot oder lebendig – das war bei Taliban-Führer Mullah Omar schon oft die Frage. Jedes Mal erwies sich der Abgesang als Mär. Doch jetzt ist es definitiv, selbst die afghanische Regierung bestätigt: Mullah Omar lebt nicht mehr.
Unbestritten ist, dass der Tod des obersten Talib viele freut. Die Amerikaner hatten zehn Millionen Dollar auf den Kopf des Mullahs ausgesetzt und machen ihn damit zu einem der meist gesuchten Männer der Welt.
Das war nicht immer so. In den Achtzigerjahren war Mullah Omar durchaus ein willkommener Partner im Kampf gegen die Sowjets, die damals Afghanistan besetzten. Ein Kampf, der den damals jungen Mudschaheddin-Kommandanten aus dem südlichen Afghanistan ein Auge kostete.
Mullah Omar gewährte Osama bin Laden Schutz
Nach dem Abzug der Sowjets folgte der blutige Bürgerkrieg. Diesem laut Mullah Omar ‹gottlosen Treiben› wollte der Islamist ein Ende setzen. Er tat es mit seiner radikalen, islamistischen Bewegung, den Taliban. Unter Mullah Omars Führung entstand 1996 das Islamische Emirat Afghanistan. Als sein Freund Osama bin Laden nach dem 11. September in Afghanistan Schutz suchte, hiess ihn Mullah Omar willkommen und weigerte sich, bin Laden an die USA auszuweisen.
Das bedeutete jedoch das Ende seiner Herrschaft und den Anfang eines jahrelangen Versteckspiels. Denn 2001 stürzten die von den USA angeführten internationalen Truppen das Taliban-Regime. Deren Führung floh nach Pakistan.
Dort, im Nachbarland, soll Mullah Omar die letzten Jahre verbracht haben. Doch nie war sicher, wo oder ob er noch lebte. Der oberste Talib war medienscheu, äusserte sich nur selten öffentlich und wenn, dann nicht per Video. Schon lange wurde deshalb gemunkelt, Omar sei nur noch ein Gespenst; eine Ikone, um die Taliban zusammen zu halten. Machtkämpfe schwächten die Bewegung und führten dazu, dass hochrangige Taliban zur Terrormiliz «Islamischer Staat» überliefen.
Schlechte Nachricht für Friedensverhandlungen
Dieses Jahr dann, Anfang Juli, wurde auf einer Internetseite der Taliban ein Schreiben veröffentlicht, angeblich vom Chef persönlich, Mullah Omar – oder vielleicht auch von einem Schreiber, der sich für ihn ausgab. Darin hiess es, Gespräche mit dem Feind seien akzeptabel. Das war kurz nach einem ersten Treffen der Taliban und Vertretern der afghanischen Regierung.
Es war ein hoffnungsvolles Zeichen in Richtung Frieden. Doch genau diesen Frieden wollen einige einflussreiche Taliban nicht. Ihnen kommt die Verkündung des Tods des Taliban-Führers Mullah Omar zu diesem Zeitpunkt sehr gelegen.
Denn die Verhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung hätten am Freitag fortgesetzt werden sollen. Nun ist klar, Mullah Omar hält keine schützende Hand mehr über diese Gespräche. Er starb im April 2013 in einem Spital in Karachi. Sein Tod könnte zu weniger Gesprächen und mehr Machtkämpfen führen.