In Ägypten ist kein Ende der Krawalle in Sicht. In mehreren Städten kam es am späten Abend erneut zu schweren Auseinandersetzungen – trotz Ausgangssperre. In Port Said, Ismailia und und Suez waren nach Augenzeugenberichten Hunderte Demonstranten unterwegs.
Zweifel an Ernsthaftigkeit der Gespräche
Sie riefen «Nieder mit Mohammed Mursi, weg mit dem Ausnahmezustand». Bei Zusammenstössen mit der Polizei wurde laut Medienberichten in Port Said eine Person getötet. Mehrere Demonstranten seien verletzt und eine Polizeiwache gestürmt worden.
Präsident Mursi hatte in einer TV-Ansprache seinen Gegnern Gespräche angeboten. Laut ARD-Korrespondent Jürgen Stryjak glauben diese aber nicht an die Ernsthaftigkeit von Mursis Absichten. Mursi müsse zuerst die Verantwortung für das Blutvergiessen übernehmen – doch dies sei unwahrscheinlich, da Mursi und die Muslimbrüder die Demonstranten als Kriminelle und Rowdies sehe.
Mehr Vollmachten für die Polizei
Präsident Mursi hatte am Sonntag – nach mehrtägigen Protesten – für die drei Städte den Ausnahmezustand verhängt. Er soll zudem einen Gesetzentwurf der Regierung gutgeheissen haben, der der Armee weitreichende Vollmachten verleihen soll. Die Soldaten sollen künftig Zivilisten festnehmen und auch andere Polizeiaufgaben übernehmen dürfen.
Inzwischen habe sich neben den Anhängern Mursis und der Opposition noch eine dritte Gruppe gebildet, so Jürgen Stryjak. Dieser sei die Opposition zu wenig stark, um Mursi und den Muslimbrüdern die Stirn zu bieten. Ihre Wut entlade sich jetzt.
Erinnerungen an Mubarak-Zeiten
Die Gewalt war am vergangenen Donnerstag, dem zweiten Jahrestag der Revolution gegen den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak, aufgeflammt. Viele Gegner Mursis nahmen dies zum Anlass, ihren Ärger über den neuen Präsidenten und die bei den Parlamentswahlen siegreichen islamistischen Muslimbrüder Luft zu machen. Sie werfen ihnen vor, die Ziele der Revolution von 2011 zu verraten und Ägypten auf Kosten weltlicher Kräfte dominieren zu wollen.
Bestätigt sehen sie sich durch die neue Verfassung, die deutlich islamistische Züge trägt. Auch die neuen Befugnisse für Streitkräfte weckten bei vielen Ägyptern Erinnerungen an die drei Jahrzehnte unter Mubarak.