Bei der schweren Explosionskatastrophe in der nordostchinesischen Stadt Tianjin sind 56 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 700 verletzt worden, 66 von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand.
Das berichtete die Zeitung «People's Daily» am Donnerstag. Da jedoch einzelne Medien nur schon in einem Spital 42 Tote zählten, dürfte die Zahl der Todesopfer weit über der offiziellen Zahl liegen. Laut Staatsmedien konnte am Morgen ein Feuerwehrmann lebend aus den Trümmern des Chemielagers gezogen werden. 13 Feuerwehrleute und eine unbekannte Zahl von Hafenarbeitern wurden aber noch immer vermisst.
Gefährliche Chemikalien?
Laut des Staatssenders CCTV wurde die Feuerwehr der Stadt am Mittwochabend wegen eines Feuers in ein Hafenlager mit gefährlichen Chemikalien alarmiert.
Die Regierung habe noch nicht offiziell bestätigt, dass es sich um diese gefährlichen Chemikalien handle, erklärt SRF-Korrespondent Pascal Nufer. «Es gibt aber verschiedene Indizien – die Umweltorganisation Greenpeace hat gesagt, dass in diesen Lagern diese gefährlichen Chemikalien gelagert wurden.» Bei Regen könnten diese Chemikalien ins Trinkwasser gelangen, hiess es von Seiten der Umweltorganisation. Offenbar rücke auch die Armee mit Spezialeinheiten zur Chemie-Unfallbekämpfung an, berichtet Nufer.
Nachdem die Retter eingetroffen waren, kam es zu mindestens zwei schweren Explosionen, die gegen 18.30 Uhr MESZ in einem Lagerhaus für Gefahrgut stattgefunden hätten. Diese waren so stark, dass sie vom nationalen Erdbebenzentrum registriert wurden. Die Druckwelle in der Millionenstadt sei kilometerweit zu spüren gewesen, hiess es weiter.
Sprengstoff-Ladung explodiert
CCTV zufolge detonierte eine Sprengstoff-Lieferung. Die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete von «gefährlichen Gütern», die sich in einem Lagerhaus befunden hätten. Die Feuerbälle der ersten Explosion hätten weitere Detonationen in den umliegenden Gebäuden ausgelöst. Gebäude von einem Dutzend Logistikfirmen sind demnach komplett zerstört worden.
Den Behörden in Tianjin zufolge müssen die über 1000 am Einsatz beteiligten Retter äusserst vorsichtig vorgehen, weil noch immer nicht geklärt ist, welche Gefahrenstoffe die Explosion ausgelöst haben und möglicherweise noch austreten können. «Wir wissen nicht sicher, welche Chemikalien es waren», sagte Gao Huaiyou vom Amt für Produktsicherheit von Tianjin. «Wir wissen auch nicht, welche Mengen es waren.» Die Chemikalien seien nur vorübergehend gelagert gewesen, auch fehlten Dokumentationen. Es könnten jederzeit weitere chemische Reaktionen stattfinden, sagte Tianjins Feuerwehrchef Zhou Tian.
«Das ganze Haus wackelte»
«Ich sass auf meinem Bett, als ich plötzlich einen lauten Knall hörte. Dann vibrierten die Fenster. Es war wie ein Erdbeben. Ich bin schnell auf die Strasse gelaufen, um mich in Sicherheit zu bringen», sagte der 27-jährige Lin Chen, der ungefähr zehn Kilometer von der Stelle der Explosionen entfernt wohnt. «Ich habe gehört, dass die Krankenhäuser voll mit Leuten sind. Es ist wirklich tragisch.»
«Ich habe Fernsehen geguckt und plötzlich draussen rotes Licht schimmern gesehen. Dann gab es einen grossen Knall und das ganze Haus wackelte. Ich war geschockt und konnte mich nicht bewegen. Mein Vater kam ins Zimmer und zog mich auf die Strasse», sagte die 21-jährige Studentin Liu, die in unmittelbarer Nähe des Hafens wohnt. «Zum Glück ist meine Familie in Sicherheit. Ich fühle mich wie ein zweites Mal geboren.»
Präsident Xi Jinping: «Verantwortliche streng bestrafen»
In einer Rede an die Menschen von Tianjin kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, das Unglück werde «genau untersucht» werden und die «Verantwortlichen streng bestraft» werden.
Laut Berichten von Staatsmedien ist das Feuer mittlerweile unter Kontrolle, aber noch nicht gelöscht. 100 Löschfahrzeuge seien im Einsatz. Auf Videos in sozialen Netzwerken war ein gewaltiger, pilzförmiger Feuerball zu sehen. Auch Fotos von blutverschmierten Menschen, die auf der Strasse lagen und Fotos von beschädigte Gebäude wurden in sozialen Netzwerken gepostet. Andere Bilder zeigten eine riesige Rauchwolke, die über dem Hafenareal der Stadt aufstieg.
An Informationen komme man am einzig über die sozialen Netzwerke, bestätigt Pascal Nufer. Denn «die Regierung versuche die Journalisten abzuschirmen». Die Regierung würde sich da keinen Gefallen tun, da die Spekulationen nun ins Kraut schiessen würden.
Umherfliegende Glasscherben
Augenzeugen berichteten Staatsmedien von einer heftigen Druckwelle nach der Explosion, die zahlreiche Fenster zerstörte und Türen aus den Angeln riss. Zahlreiche Menschen seien durch Glasscherben und andere umherfliegende Teile verletzt worden.
Laut Staatsmedien werde das Management der Firma Ruihai Logistics, in der es zu den Explosionen gekommen sein soll, von der Polizei verhört. Hunderte Menschen hätten sich zum Blutspenden gemeldet, hiess es weiter. Tianjin hat mehr als 10 Millionen Einwohner und ist eine bedeutende Hafenstadt östlich von Peking.