Auch der zweite Verhandlungstag im Prozess um die Neonazi-Mordserie des rechtsextremen NSU ist schleppend angelaufen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe drehte den Fotografen und Kameraleuten den Rücken zu.
Bereits in der ersten Stunde wurde die Verhandlung zwei Mal wegen Anträgen unterbrochen: Die Verteidigung verlangte die Verlegung des gesamten Verfahrens in einen anderen Gerichtssaal. Die Bundesanwaltschaft drängte auf eine rasche Verlesung der Anklage.
Anklage doch noch verlesen
«Der Einfallsreichtum der Verteidigung ist offensichtlich unerschöpflich», kommentierte Bundesanwalt Herbert Diemer die Antragsflut. Die Verteidigung reagierte darauf mit dem Vorwurf, es solle Stimmung gegen sie gemacht werden.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach daraufhin die Verhandlung erneut, um darüber zu entscheiden, wie der Prozess nun weitergehen soll. Zschäpe werde weiter Schweigen, sagte ihre Verteidigerin, Anja Sturm, bereits im Vorfeld.
Die Verlesung der Anklage kam dann doch noch zustande. Die Bundesanwaltschaft
wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten der rechtsextremen
Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) vor. Demnach sollten Menschen südeuropäischer, vornehmlich türkischer Herkunft «willkürlich ausgewählt und durch hinrichtungsgleiche Erschiessungen getötet werden». Darüber hinaus seien die Mitglieder des NSU verantwortlich für zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mindestens 23 Menschen schwer verletzt wurden; ausserdem für den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem eine Beamtin getötet wurde.
Debatte über Zschäpes Auftreten
Schon der Prozessauftakt gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte war von vielen Beobachtern als Fehlstart interpretiert worden. Statt argumentativ in der Sache wurde polemisch über das Kruzifix im Gerichtssaal sowie die Kleidung Zschäpes und deren Auftreten debattiert. «Die Beurteilung ihres Verhaltens – von gelöst-freundlich bis genervt, von eiskalt bis arrogant – das sind alles Projektionen der Berichterstatter und der Prozessbeobachter, die reine Spekulationen sind», sagte die Zschäpe-Verteidigerin.
Unterbrüche sind Standard
Das Münchner Oberlandesgericht sieht sich wegen der einwöchigen Unterbrechung des Verfahrens neuen Vorwürfen ausgesetzt. Dabei durfte das, was in der Landeshauptstadt am ersten Verhandlungstag passierte, niemanden überraschen.
«Es ist völlig normal, dass zu Beginn eines grossen Strafprozesses Befangenheitsanträge gestellt werden», sagte der Ex-Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes Winfried Hassemer. Und auch der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic sprach vom «Standardprogramm in grossen Strafprozessen».
«Dass Angehörige hier bittere Stunden und Tage erleben, ist verständlich. Wenn aber ihre Vertreter vermitteln, es sei unlauter, wenn ein Verteidiger Anträge stellt, ist das nicht zu akzeptieren», sagt Fritz Dinkelmann. Er beobachtet den Prozess für Radio SRF. Dinkelmann zitiert dazu die Anwaltsvereinigung: «Die Fokussierung auf die Opfer gefährdet die Wahrheitsfindung und verletzt die Unschuldsvermutung.»
Terrorzelle soll zehn Tote auf dem Gewissen haben
Zschäpe soll mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den NSU gebildet haben, der für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich gemacht wird. Beide Männer brachten sich um. Neben Beate Zschäpe müssen sich vier mutmassliche Helfer des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) im Prozess verantworten.
Die rechtsextreme Terrorzelle soll zwischen 2000 und 2006 in Deutschland acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Einwanderer sowie 2007 eine deutsche Polizistin ermordet haben. Auch zwei Sprengstoffanschläge mit insgesamt 23 Verletzten und zahlreiche Banküberfälle werden dem NSU zugerechnet.