Zwischen der Nato und Russland herrscht seit dem Ausbruch des Konflikts um die Ukraine eisige Stimmung. Nun wurde in Brüssel erstmals seit 2014 wieder im Nato-Russland-Rat miteinander geredet.
«Die NATO und Russland haben weiter grundlegende Differenzen», sagte denn auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach den dreieinhalbstündigen Beratungen. Auch die russische Seite äusserte sich nach der Sitzung in Brüssel wenig optimistisch. Es gebe keine «positive Agenda» mit dem westlichen Bündnis, so der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko.
Am Ende hatte man sich aber doch mehr zu sagen als erwartet, denn die Sitzung dauerte fast doppelt so lange wie geplant. Und die Beteiligten meinten, sie sei gut und freimütig, professionell und nützlich gewesen. Man habe einander zugehört.
Sogar ein wenig Bewegung zeichnet sich beim Problembereich militärische Aktivitäten und Risiken ab. Hier häuften sich Zwischenfälle: Patrouillenflüge unmittelbar an der gegnerischen Luftraumgrenze, äusserst nahe Begegnungen zwischen feindlichen Kriegsschiffen und Kampfflugzeugen. Dinge, die leicht – auch ungewollt – eskalieren könnten. Beidseits mehr militärische Operationen plus scharfe Rhetorik plus politische Spannungen – das ist ein extrem gefährlicher Mix.
Verhältnis soll berechenbarer werden
Das Rezept, um das zu vermeiden, wäre mehr Transparenz, mehr Informationsaustausch und mehr Berechenbarkeit, um solche Risiken zu vermindern. Auf Seite der Nato herrschte bisher der Eindruck, Russland als militärisch schwächerer Akteur, suche bewusst die Unberechenbarkeit, immer und immer wieder, um so das Überraschungsmoment auf seiner Seite zu haben und den Takt anzugeben.
Nun scheint man aber bereit, gemeinsam im Rahmen der Möglichkeiten der OSZE die Grundlagen zu verstärken, um Vertrauen zu schaffen und Berechenbarkeit herzustellen. Das ist dringend nötig.
Differenzen um Krim und Ostukraine
Die sachlichen Differenzen hingegen bestehen alle unvermindert fort: Für die Nato bleiben die Annexion der Krim inakzeptabel und Russlands Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine provokativ. Russland verletze die Abkommen von Minsk zur Befriedung der Ostukraine auf Gröbste.
Russland bestreitet das vehement und erhebt Vorwürfe gegen die Ukraine und den Westen. Und wirft seinerseits der Nato vor, militärisch Druck auf Moskau auszuüben.
Keine Fortschritte beim Dschihadismus
Auch beim zweiten Thema, Afghanistan und islamistischer Terrorismus im Nahen Osten, fehlen substanzielle Fortschritte. Obschon der Kampf gegen den Dschihadismus für Moskau wie für die Nato vordringlich ist.
Trotzdem: Nachdem man im Nato-Russland-Rat zwei Jahre lang nicht mehr miteinander gesprochen hat, wird das Gremium jetzt wiederbelebt. Ein nächster Termin steht zwar noch aus. Doch offenkundig will man den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Das ist wichtig – trotz oder gerade wegen der abgrundtiefen Differenzen.