Langsam kehren Pilger und Touristen nach Kathmandu zurück. Auch auf den Durbar Square, den Platz im Zentrum mit seinem historischen Königspalast, den jahrhundertealten Tempeln und Schnitzereien.
Zwei der Tempel fielen während des Erdbebens in sich zusammen. Was gerettet werden konnte, liegt im Innenhof des Palasts: zersplitterte Balken, geschnitzte Fensterrahmen, eine verbeulte, goldverzierte Tempelspitze.
Jetzt müsse alles gesäubert und zusammengesetzt werden, sagt Suresh Man Lakhe, der stellvertretende Kurator des Patan Museums. «Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Jahre wahrscheinlich. Wir müssen uns entscheiden, was wir zuerst wieder aufbauen. Und wir brauchen Geld.»
Das Know-how ist noch vorhanden
Mit der Zerstörung der Tempel habe Nepal einen Teil seiner Identität verloren, klagt Anil Chitrakar. Er setzt sich seit vielen Jahren für die Bewahrung des Kulturschatzes in Patan ein. Trotzdem ist er optimistisch. «Was wir im Erdbeben nicht verloren haben, sind die Kunsthandwerker, die die Tempel wieder aufbauen können. Sie sind in jedem Haus zu finden.»
Handwerker wie zum Beispiel Mahesh Shakia. Er ist nicht nur Holzschnitzer, sondern auch Hindu-Priester im Pilgerort Bungamati ausserhalb von Kathmandu. Der Tempel mit den Hunderten von Glöckchen und Kerzen liegt auf einem Hügel und wurde beim Beben ebenfalls beschädigt. Auf einer Bank steht eine halb fertige Buddha-Figur aus Holz, Shakias neustes Werk.
Der Pilgerort wurde schwer getroffen. «Hier ist ein Drittel aller Statuen und Götterbilder zerstört worden», erklärt er. «Die Leute sagen: Wir haben Gott verraten und jetzt hat er uns bestraft. Ich sorge mich mehr um unser kulturelles Erbe.»
Künftig soll erdbebensicher gebaut werden
Gratis und freiwillig wolle er beim Wiederaufbau mithelfen, sagt der Kunsthandwerker. «Nach dem Erdbeben haben wir jetzt die Möglichkeit, im traditionellen Stil zu bauen und so unsere Kultur zu schützen. Aber wir müssen lernen, wie wir erdbebensicher bauen.»
Im Dorf Bungamati zerstörte das Erdbeben 900 Häuser. Im historischen Dorfkern wohnte der 23-jährige Student Saroj Shakya mit seiner Familie in einem traditionellen Haus aus rotem Backstein und geschnitzten Fenstern. Sarojs Haus steht noch, doch nur noch Katzen und Hunde leben darin.
Auf den ersten Blick sieht das Haus intakt aus, aber im Innenhof sieht man, wie stark das Gebäude aus dem Gleichgewicht geraten ist, wie Risse und Sprünge es unbewohnbar machen. Seit Monaten lebt Saroj und seine Familie deshalb in einem winzigen Holzverschlag. Es gibt kein fliessend Wasser, dafür tropft der Monsunregen in die Hütte.
Staat bietet für Wiederaufbau Kurse an
Doch auch der angehende Buchhalter Saroj lässt den Kopf nicht hängen. Seit Mitte Juli besucht er mit 20 anderen Studenten einen Baukurs. Es ist eine Ausbildungsinitiative der Regierung, durchgeführt von erfahrenen Maurern und Ingenieuren des Dorfs.
Die Regierung hat Familien, deren Haus zerstört wurde, zudem 2000 Franken versprochen. Das Geld ist noch nicht gekommen und reiche auch nicht aus, aber zumindest könne er jetzt selbst Hand anlegen. In Bungamati und Kathmandu haben er und andere genau damit bereits begonnen.