In Israel ist von einem «diplomatischen Gau», einem «diplomatischen Tsunami» die Rede. Gemeint ist, dass das Land sich aussenpolitisch immer schlechter verkauft, immer häufiger Niederlagen erleidet.
Die Aufwertung Palästinas in der Uno konnte Israel nicht verhindern, auch nicht dessen Vollmitgliedschaft in der Unesco oder beim Internationalen Strafgericht. Selbst befreundete Länder gehen auf Distanz, von Wirtschaftsboykotten ist die Rede. Und besonders dramatisch: Die Beziehung zur Schutzmacht USA ist unterkühlt.
«Destruktiv»
Die israelische Aussenpolitik, die einseitig auf die oppositionellen Republikaner in Washington setzt, sei destruktiv, sagt US-Sicherheitsberaterin Susan Rice unverblümt. Der Mann von Regierungschef Benjamin Netanyahu in Washington, Botschafter Ron Dermer, ist inzwischen im Weissen Haus praktisch Persona non grata. Wenig hilfreich ist da, wenn er führende US-Medien als einäugig und einseitig abkanzelt.
Und wenn Israels Vertreter bei den Vereinten Nationen, Ron Prosor, die Weltorganisation angreift, hat er zwar oft nicht unrecht. Doch sein ätzender Spott gegenüber befreundeten Ländern, die sich in wichtigen Abstimmungen der Stimme enthielten, dürfte Israel keine Bonuspunkte eintragen. Ebenso wenig wenn er deren Botschafter öffentlich vorführt.
Shimon Stein: Aussenpolitik als Trauerspiel
Lange Zeit bewegte sich Israel international gewandt. Seine Diplomaten waren hochqualifiziert, die Aussenminister angesehene Figuren – von Abba Eban über Golda Meir bis zu Mosche Dayan und Shimon Peres.
Doch jetzt läuft die Aussenpolitik aus dem Ruder. Der jüngste Aussenminister Avigdor Lieberman war eine pure Provokation. Jetzt ist der Posten gar verwaist, Premier Netanyahu kümmert sich nebenbei darum.
Shimon Stein war 32 Jahre lang Diplomat, unter anderem Botschafter in Deutschland. Heute arbeitet er am Tel Aviver Institut für nationale Sicherheitsstudien und spricht von einem Trauerspiel: Schuld seien Ex-Aussenminister Lieberman und Netanyahu selber.
Das Aussenministerium wurde nach den Worten Steins abgewertet. Viele Amtsinhaber sähen es nur noch als Durchlauferhitzer für noch höhere Weihen. Schlüsselaufgaben seien anderen Ministerien, vor allem jenen im Sicherheitsbereich oder direkt dem Premierministeramt zugeteilt worden. Dramatisch sei, dass Netanyahu selbst für Schlüsselposten lieber dumpfe Parteigänger statt Topleute einsetze.
Unterbezahlte Diplomaten
Was zählt, sind Nibelungentreue und die Nähe zu Netanyahu und seinen Bündnispartnern. Das, verbunden mit der kargen Bezahlung, löste jüngst gar den ersten Diplomatenstreik im Land aus: Ein Diplomat mit 15 Dienstjahren verdient umgerechnet nur 2500 Franken.
In immer mehr Ländern gebe es einen Trend, politische Getreue auf diplomatische Spitzenposten zu hieven, stellt der amerikanische Forscher Nicholas Kralev fest. Das schwäche den aussenpolitischen Apparat erheblich, erklärt der Autor eines Standardwerkes über die US-Aussenpolitik «Americas other Army».
An Hochqualifizierten fehlt es nicht
Auch Ex-Botschafter Stein ist überzeugt: Israel könnte, ja müsste auf der diplomatischen Bühne dringend vieles besser machen: «Es gibt im Aussenministerium ein hochqualifiziertes Team, das wesentliche bessere Arbeit leisten könne als das aktuelle.»
Schlechtes Marketing ist für jedes Land ein Problem. Für Israel, dessen aktuelle Politik ohnehin schwierig zu verkaufen ist, ist es fatal.