Nach dem Ende des Kalten Krieges waren die Beziehungen auch von Rivalität und Konkurrenzdenken geprägt. Vor allem aufseiten der Nato gab es die Sorge, verzichtbar zu werden – auch, weil von den 28 Mitgliedstaaten des Militärbündnisses 22 gleichzeitig Mitglied der EU sind.
Angesichts «beispielloser sicherheitspolitischer Herausforderungen» sollen die Zeiten des Nebeneinander nun allerdings ein Ende haben. Beim Nato-Aussenministertreffen ab heute Dienstag wurde ein sieben Bereiche umfassendes Programm für mehr Zusammenarbeit beschlossen, das unter anderem auf mögliche Bedrohungen aus Richtung Russland eingeht.
Die wichtigsten Punkte:
- Abwehr hybrider Bedrohungen: Propaganda und Desinformationskampagnen, mysteriöse Anschlagserien oder Hackerattacken – um gegen solche Bedrohungen besser gewappnet zu sein, wollen sich Nato und EU intensiver austauschen. Bei der Weiterentwicklung von Gegenmassnahmen soll besser zusammengearbeitet werden. Beispiel sind Informationsangebote, die Falschdarstellungen russischer Medien aufdecken. Zudem sollen die Krisenabwehrsysteme so aufeinander abgestimmt werden, dass es im Ernstfall keine Abspracheprobleme gibt.
- Operative Zusammenarbeit: Zur Eindämmung des Migrantenzustroms über Libyen wollen die EU und die Nato ihre Kräfte bündeln. Die Militärallianz stellt der EU-Marineoperation «Sophia» bis auf weiteres Versorgungs- und Aufklärungskapazitäten zur Verfügung. Zudem soll geprüft werden, ob auch in anderen Bereichen des Mittelmeers zusammengearbeitet werden kann.
- Cybersicherheit und -abwehr: Wie lassen sich Hackerangriffe am besten abwehren? Was sind die sichersten Computersysteme? Wie spüre ich Angreifer auf? Künftig sollen intensiver Erfahrungen ausgetauscht und bei der Ausbildung und Technologieforschung zusammengearbeitet werden.
- Verteidigungsfähigkeit: Das «Jeder muss alles können»-Prinzip könnte künftig der Vergangenheit angehören. Wenn es um Fähigkeiten in Bereichen wie Lufttransport, Satellitenkommunikation oder Drohnen geht, wollen sich Nato und EU künftig ergänzen statt zu doppeln. Wenn Staaten gemeinsam neue Fähigkeiten entwickeln, sollen diese sowohl für Einsätze der Nato als auch für solche der EU zur Verfügung stehen.
- Verteidigungsindustrie und -forschung: Durch den aktuellen Mangel an Zusammenarbeit gehen derzeit jährlich allein in den EU-Staaten zwischen 25 und 100 Milliarden Euro verloren. Mehr Dialog und engere Kooperation sollen Freiräume für neue Investitionen schaffen.
- Übungen: Ist man in der Lage, schnell und effizient auf eine mögliche Bedrohung zu reagieren? Um Fragen wie diese geht es bei sogenannten Krisenbewältigungsübungen. Von 2017 an soll nun «parallel und koordiniert» trainiert werden. Bislang übten Nato und EU unabhängig voneinander. In Zukunft sollen zumindest die gewonnenen Erkenntnisse ausgetauscht werden.
- Kapazitätsaufbau bei Verteidigung und Sicherheit: Sowohl die Nato als auch die EU unterstützen derzeit die Balkanstaaten sowie Länder wie Tunesien, Jordanien, Georgien und die Ukraine. Künftig könnte es eine wesentlich bessere Abstimmung oder sogar gegenseitige Beteiligung an Projekten geben.