Bewaffnete haben in der Nacht auf Dienstag im Bundesstaat Borno im Norden Nigerias zahlreiche Schülerinnen entführt. Die Täter fuhren in einem Lastwagen in der Ortschaft Chibok vor und luden die Mädchen auf. Der Polizeichef der Stadt Maiduguri, Gideon Jibrin, bestätigte die Entführungen, wollte aber keine genaue Zahl nennen.
Zeugen sagten aber gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, es seien 100 Schülerinnen verschleppt worden. Zahlreichen Mädchen sei es noch gelungen, vom Lastwagen zu springen. Die BBC zitierte Quellen, die von 200 entführten Schülerinnen sprachen. Die Angreifer machten offenbar das ganze Dorf dem Erdboden gleich. Dabei soll es auch Tote gegeben haben.
Region seit Monaten im Visier der Terroristen
Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar. Jedoch gilt es als wahrscheinlich, dass auch für diese Tat die radikalislamische Sekte Boko Haram verantwortlich ist. Sie hatte in den vergangenen Monaten speziell in der Region Borno zahlreiche Anschläge verübt.
Auf ihr Konto soll auch der verheerende Anschlag auf einen Busbahnhof in der Hauptstadt Abuja vom Montag gehen. Behörden sprachen auch am Dienstag von 71 Toten und mehr als 250 Verletzten. Gemäss Umfragen in Krankenhäusern liegt die Zahl der Toten aber über 200.
«Boko Haram hatte gedroht, den Terrorismus in den Süden und in die Hauptstadt zu tragen, darum kann man davon ausgehen, dass sie dafür verantwortlich sind», sagt Markus Häfliger. Er ist Afrika-Korrespondent der «NZZ» und ist zurzeit in Abuja.
Warum wird der Sekte aber keinen Riegel geschoben? «Aus Mangel an politischem Willen und strategischer Konsequenz. Auf dem Papier bestehen Massnahmen, an der Umsetzung happert es aber», erklärt Häfliger.
In den letzten drei Jahren starben mindestens 4000 Menschen durch Boko Haram. Die Stabilität des Vielvölkerstaats sei aber kaum gefährdet, sagt der «NZZ»-Korrespondent weiter: «Die Nigerianer sehen das mehrheitlich relativ gelassen.» Und Präsident Goodluck Jonathan sei sehr daran gelegen, diesen Konflikt auf den Nordosten Nigerias zu beschränken.
Konflikt hat sich verschärft
Die seit 2002 aktive Sekte will in Nordnigeria einen Gottesstaat errichten. Der Name Boko Haram bedeutet etwa so viel wie «westliche Bildung ist verboten». Ab 2009 gab es immer wieder schwere Anschläge vor allem auf Kirchen und Polizeieinrichtungen. Auch in Abuja hatte die Gruppe schon mehrere Male zugeschlagen.
Der ehemalige SRF-Korrespondent und Afrika-Experte Ruedi Küng spricht von einer deutlichen Verschärfung des Konflikts. Und zwar vor allem angesichts der steigenden Zahl der Anschläge. Allein im laufenden Jahr seien es Dutzende mit etwa 1500 Toten gewesen.