Schon lange kursiert in Griechenland eine Schweizer CD mit Daten vermeintlicher griechischer Steuersündern. Erst anfangs Woche sah sich der ehemalige griechische Finanzminister Evangelos Venizelos genötigt, eine Erklärung abzugeben. Während seiner kurzen Amtszeit 2011 hatte er auf eine Auswertung der Schweizer Daten-CD verzichtet und sie unter Verschluss gehalten.
Bereits sein Vorgänger im Amt, Georgios Papakonstantinou, erklärte, er habe wegen fehlenden Vertrauens in die Steuerfahnder auf eine Auswertung verzichtet. Seit Jahren befasst sich der griechische Journalist Tasos Telloglou mit den Umständen griechischer Steuerhinterziehung. In einem Interview von «SF Online» erklärt die Hintergründe.
SF Online: Warum kann eine solche Daten-CD im Finanzministerium über Jahre unter Verschluss bleiben?
Tasos Telloglou: Ich kann nicht für die ehemaligen Finanzminister Papakonstantinou und Venizelos sprechen. Sicher ist: Griechenland hatte bisher keine Erfahrungen in diesem Bereich. Es ist die erste Daten-CD, welche die Regierung erhält. Ein weiterer Punkt ist die Allmacht des Ministers in seinem Ministerium. 85 Prozent der Entscheidungen trifft der Minister persönlich. Wenn er nicht will, dann läuft nichts.
Papakonstantinou hatte die Liste mit Steuersündern von der damaligen französischen Finanzministerin Lagarde angefordert. Wieso hatte er trotzdem kein Interesse an einer Auswertung?
Darauf gibt es mehrere Antworten. Eine Antwort ist die Angst vor der eigenen Courage. Wenn der Steuerfahnder auf irgendwelchen Listen bei Personen ausstehende Steuerzahlungen von mehreren hundert Millionen sieht, weiss er, dass muss ein Grosser sein, von der Grösse Niarchos oder Onassis. Dann sagt er sich, da lassen wir lieber die Finger davon. Das ist die vorherrschende Mentalität.
Ein weiterer Grund sind die fehlenden Strukturen für eine effektive Steuerfahndung. Steuererklärungen waren bis zu diesem Jahr handgeschrieben und wurden auch so als Akten aufbewahrt. ohne digital erfasst zu werden. Nach fünf Jahren werden diese vernichtet.
Hinzu kommt, dass dem Fahnder schlicht die nötigen Daten fehlen, um fehlbare Personen ausfindig zu machen. Wer in der Schweiz seinen Wohnsitz wechselt, muss dies auf dem Einwohneramt melden. In Griechenland kann man zehn Mal umziehen und keinen interessiert das. So können Personen nur schwer ausfindig gemacht werden.
Eine unbefriedigende Situation, die auch Kopfschütteln bereitet.
Absolut. Dazu gesellt sich ein griechisches Unikum. Die reichsten Griechen leben steuerbefreit und dies gesetzlich bewilligt. So zum Beispiel die griechischen Reeder. Da denkt das Volk unweigerlich: Die Kleinen fängt man, die Grossen lässt man laufen. Die Wahrheit liegt aber meiner Meinung nach irgendwo dazwischen.