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International Noch viele offene Fragen in Sachen Brexit

Premierministerin Theresa May hat sich mit den regionalen Regierungschefs auf die Schaffung eines neuen Gremiums geeinigt. Dieses soll beim der Umsetzung des Brexits eine beratende Funktion haben. Gleichzeitig erklärte sie, die Regionen dürften die Verhandlungen nicht untergraben. Was gilt nun?

Martin Alioth

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Der Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

SRF News: «Ihr dürft zwar mitreden, aber am Schluss sage ich, wie das läuft mit dem Brexit.» Das ist die Botschaft von Premierministerin Theresa May. Was bedeutet das für Wales, Nordirland und ganz besonders Schottland?

Martin Alioth: Ihre Worte klingen zunächst süss und versöhnlich. Aber in der Sache bleibt Theresa May beinhart. Das Referendum im letzten Juni sei ein landesweiter Entscheid gewesen, und sie sei die Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Ihre Regierung werde den Kurs bestimmen. Die Vertreter der drei Regionalregierungen dürfen etwa einmal pro Monat nach London kommen und mit dem Brexit-Minister David Davis zusammensitzen. Aber mitentscheiden oder gar sabotieren dürfen sie die Pläne der Regierung nicht.

Wie haben die Regionalregierungen darauf reagiert? Von der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon hört man eher frustrierte Töne.

Genau. Nicola Sturgeon hat von Frustration gesprochen. Es sei trotz der «warmen Worte» weiterhin völlig unklar, welche Ziele die britische Regierung in diesen Verhandlungen verfolge. Und Sturgeon sagte, sie bluffe nicht. Sie spiele keine Spiele, wenn sie mit einem neuerlichen Unabhängigkeitsreferendum in Schottland drohe, falls Schottland gegen seinen Willen aus dem Binnenmarkt der EU herausgerissen werde. Das heisst, diese Drohung steht weiterhin im Raum.

Und in Nordirland, wie hat man dort auf das Angebot reagiert? Nordirland wird ja, wenn der Brexit vollzogen ist, die einzige Landgrenze zwischen dem vereinten Königreich und der EU haben.

Richtig, und Nordirland hat, gleich wie Schottland, für den Verbleib in der EU gestimmt. Allerdings ist die Belfaster Koalition gespalten. Die protestantische Chefministerin Arlene Foster ist eine begeisterte Brexit-Befürworterin. Sie will raus, währendem ihr Pendant von der katholischen Sinn Fein, Martin McGuinness, dabeibleiben will. Einig sind sich die beiden allerdings in der Sorge um die innerirische Grenze, wie diese in fünf Jahren aussehe. Die britische Regierung betont bei jeder Gelegenheit, es dürfe keine sichtbare Landgrenze in Irland geben. Vorläufig ist das ein innerer Widerspruch, wenn das vereinigte Königreich die Freizügigkeit innerhalb der EU beenden will. Das geht nicht auf.

Welches Risiko geht Theresa May ein, wenn sie die Regionen nicht wirkungsvoll an der Brexit-Gestaltung teilhaben lässt, und danach sieht es ja zurzeit aus?

Audio
Brexit: «Für die Regionen sind noch immer viele Fragen offen»
aus SRF 4 News aktuell vom 25.10.2016. Bild: Keystone (Archiv)
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 21 Sekunden.

Ein beliebter Ausdruck von britischen Journalistenkollegen in dieser Situation ist, eine «constitutional crisis» heraufzubeschwören, eine Verfassungskrise. Sie befürchten eine Sackgasse, dass sich die einzelnen Zahnräder nicht zu einem Ganzen vereinigen lassen. Es ist nämlich nach wie vor unklar, ob die Regionalparlamente in Edinburgh, Cardiff und Belfast irgendwann auch zustimmen müssen. Sei es zur Einreichung der Austrittserklärung vor Ende März 2017 oder aber dann zum Schlusspaket. Und dann hätten sie ein Vetorecht. Das ist die Schwierigkeit. Es ist alles konstitutionelles Neuland. Und weil die Verfassung ungeschrieben ist, ist die Situation noch komplizierter.

Welche Region ist denn die grösste Knacknuss für Theresa May?

Wales ist wohl die einfachste Partnerin. Die walisische Wirtschaft ist eng mit der englischen Wirtschaft verknüpft und Wales hat ja auch für den Brexit gestimmt. In Nordirland reduziert sich das Ganze auf das künftige Verhältnis zur Republik Irland, die in der EU bleibt. Das ist eher ein technisches als ein politisches Problem. In Schottland stellen sich explosive politische Probleme, falls die Verhandlungsstrategie Mays zur Zerstückelung des Königreichs führt. Dann müsste man das als Scheitern bezeichnen.

Das Gespräch führte Eliane Leiser.

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