Dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist in diesen Tagen viel Aufmerksamkeit sicher: Es entscheidet darüber, ob die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) verboten werden soll. Beantragt haben das geschlossen alle 16 deutschen Bundesländer. Damals, als die abscheulichen Attentate des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bekannt wurden.
Das höchste deutsche Gericht hat das Dossier nicht zum ersten Mal auf dem Tisch. Doch ein NPD-Verbotsantrag vor über zehn Jahren scheiterte. Jetzt folgt ein neuer Anlauf: Ob eine solche Partei verboten werden soll, beschäftigt die ganze Republik. Ob es gelingt, ist aber fraglich: «Die Hürden für ein Verbot sind hoch – und das ist auch völlig richtig», meint der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Patrick Gensing.
Der NPD müsse nun nachgewiesen werden, dass sie anstrebe, «kämpferisch die Verfassung zu beseitigen». Darüber, dass die NPD nicht verfassungskonform sei, herrsche zwar weitgehend Einigkeit. Dass sie auch aggressiv auf deren Aushebelung hinarbeite, sei jedoch schwierig zu belegen.
Grossen Bühne für die NPD
Vor Gericht darf man sich auf ruppige Auseinandersetzungen einstellen. NPD-Anwalt und Parteimitglied Peter Richter hat den Medien bereits «den einen oder anderen Knaller» versprochen. Der blieb am ersten Verhandlungstag zwar aus, denn die Anträge auf Befangenheit von zwei Richtern entpuppten sich als Blindgänger.
Im Scheinwerferlicht steht immerhin das Verfahren um ein Partei-Verbot. Kein Wunder, warnen Kritiker seit jeher davor, denn ein Verbot wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten. Denn die ganz grosse politische Bühne steht ihnen schon lange nicht mehr offen: Die Partei ist seit 2011 nur noch in Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit fünf Abgeordneten vertreten. Auch wenn sie, wie Gensing ausführt, in Teilen Ostdeutschlands noch immer kommunal verankert sei.
AfD – das wahre Problem am rechten Rand?
Ganz andere Zustimmungswerte hat derzeit die Alternative für Deutschland (AfD). «Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben», mahnte Franz Josef Strauss zu Lebzeiten. Die rechtspopulistische AfD droht nun, befeuert durch die Flüchtlingskrise, den damaligen Warnruf des bayrischen Minsterpräsidenten Realität werden zu lassen.
Zwar fischt die AfD mittlerweile auch fleissig am rechten Rand. Die «neue NPD» sei sie deswegen aber nicht, sagt Gensing – obwohl man einige Landesverbände der ehemals eurokritischen «Professorenpartei» in Ostdeutschland inzwischen als offen «völkisch-nationalistisch» bezeichnen könne.
Die öffentliche Wahrnehmung der Parteien sei aber nicht zu vergleichen: «Die NPD ist daran gescheitert, dass sie sich nicht klar vom historischen Nationalsozialismus lösen könnte. Damit gewinnt man in Deutschland keine Wahlen.» Der bürgerliche Anstrich der AfD erschliesse der Partei dagegen neue Wählerschichten.
Gratiswerbung für bedeutungslose Rechtsextremisten
Am rechten Rand formiert sich also eine Bewegung mit beachtlichem Wählerpotenzial während das Bundesverfassungsgericht über eine national wenig bedeutende Extremisten-Partei richtet. Wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen?
«Natürlich ist das alles immer mit grosser öffentlicher Aufregung verbunden», sagt Patrick Gensing. Trotzdem hält er das Gerichtsverfahren für richtig: «Die NDP ist eine rechtsextreme, neonazistische Partei, die gegen Minderheiten hetzt. Was soll daran noch schlimmer werden, wenn eine solche Partei verboten wird – zumal sie sich aus Steuergeldern finanziert?»
Natürlich könne ein Verbot das Problem des Rechtsextremismus nicht lösen, sagt Gensing: «Aber es ist ein Instrument, den organisierten Rechtsextremismus in Deutschland zu schwächen.»
Die NPD sei in ihrer Geschichte zumeist Mittel zum Zweck gewesen: «Man versucht vor allem, die Partei zu nutzen, um Geld zu akquirieren und die eigenen Leute in Fraktionen unterzubringen. Es geht darum, die Fundamentalopposition und den Kampf gegen das freiheitliche System zu finanzieren.» Ob das Verfassungsgericht dem einen Riegel schiebt, wird sich erst in einigen Wochen zeigen, wenn das Urteil der Karlsruher Richter erwartet wird.