Die Richter in New York bewerten die NSA-Abhörpraktiken als einen «Gegenschlag» des Staates gegen den Terrorismus. Erst kürzlich hatte ein Bundesgericht in Washington das Programm für mutmasslich verfassungswidrig erklärt. Die Frage dürfte vor dem obersten Gerichtshof landen.
Datenschutz «gilt nicht absolut»
Das New Yorker Gericht argumentiert, der Schutz der US-Bürger vor Überwachung sei «fundamental, aber nicht absolut». «Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Regierung gesammelte Telefon-Metadaten zu anderen Zwecken nutzt als für Ermittlungen gegen terroristische Angriffe und deren Vereitelung», meinte der Vorsitzende Richter William H. Pauley in seiner Begründung.
Allerdings kämen «unbeabsichtigte Verletzungen der Richtlinien» vor, räumte das Gericht ein.
Nur umfassendes Spähen wirkt
Der Richter erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001, um das Sammeln praktisch aller Telefondaten in den USA zu rechtfertigen, berichtet SRF-Korrespondentin Priscilla Imboden. Nur wenn ein solches Programm umfassend sei, könne es auch wirken. Es sei auch verfassungskonform: Der Schutz gegen unbegründete Durchsuchung gelte nicht für Daten, die im Besitz Dritter seien. In diesem Fall also der Telefongesellschaften.
Das heisst nicht, dass der Richter die Überwachungspraxis unproblematisch findet, Sie habe das Potenzial, die Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger zu gefährden, schrieb er. Er überliess es aber der Regierung und dem Kongress, zu entscheiden, ob man die Überwachung so weiterführen wolle, berichtet Imboden.
Berufung angekündigt
Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union, welche die Klage eingereicht hatte, kündigte Berufung an. «Wir sind äusserst enttäuscht von diesem Entscheid», teilte die Organisation mit. Das Urteil unterschätze die Auswirkungen des Programms auf die Privatsphäre der Bürger.
Ein Sprecher des US-Justizministeriums erklärte, die Regierung begrüsse das Urteil.
Gegenteilige Meinung
Der Gerichtsentscheid steht in krassem Widerspruch zum Urteil des Washingtoner Bundesgerichts von Mitte Dezember. Dieses Gericht hatte ausdrücklich die Behauptung der Geheimdienste zurückgewiesen, durch die Überwachung seien Terroranschläge verhindert worden. Dies sei in keinem einzigen Fall wirklich bewiesen, hiess es.
Man könne sich «keine rücksichtslosere und willkürlichere Invasion als diese Speicherung persönlicher Daten von praktisch jedem einzelnen Bürger (...) ohne vorherige richterliche Erlaubnis vorstellen», so die Richter in Washington weiter.
US-Gremium schlägt neue Regeln vor
Eine von US-Präsident Barack Obama beauftragte Expertenkommission hatte vergangene Woche Empfehlungen zu Korrekturen des NSA-Programms gegeben. Demnach soll die NSA keine riesige Datenbank zu Telefonanrufen in den USA mehr unterhalten. Stattdessen sollten diese Informationen bei den Netzbetreibern bleiben und von der NSA nur auf Anfrage abgerufen werden können.
Für die Überwachung ausländischer Spitzenpolitiker soll es grössere Einschränkungen geben. Jede Entscheidung dazu müsse «mit grosser Sorgfalt getroffen» werden, unter Abwägung diplomatischer und wirtschaftlicher Folgen.
Snowden-Vertrauter: Keine Hoffnung auf Kongress
Der Journalist Glenn Greenwald, ein Vertrauter des US-Whistleblowers Edward Snowden, ist überzeugt, dass der Kampf um die Privatsphäre nach den Enthüllungen über Geheimdienst-Spionage vor allem über Technologie ausgefochten werden wird.
Er habe wenig Hoffnung, dass der US-Kongress dem Geheimdienst NSA wirksame politische Grenzen setzen werde, sagte Greenwald bei einem Auftritt auf dem Hackerkongress 30C3 in Hamburg. «Ich denke, es ist möglich, dass die Gerichte einige wirksame Einschränkungen durchsetzen werden», erklärte er zugleich per Videoübertragung aus Rio de Janeiro.
Weitere Enthüllungen angekündigt
Die grösste Hoffnung setze er allerdings auf Computerexperten und Hacker wie die Teilnehmer beim Hamburger Chaos Communication Congress. «Letztlich wird der Kampf über die Freiheit des Internets. vor allem auf dem Schlachtfeld der Technologie geführt werden. Die NSA weiss das», sagte Greenwald. Er rief die Hacker auf, sich für den Schutz der Privatsphäre einzusetzen.
Gleichzeitig kündigte er eine Fortsetzung der Enthüllungen an: «Es wird noch viele weitere Berichte geben.»