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International «Obama hatte zu viele positive Erwartungen an Europa»

Die transatlantischen Beziehungen unter Obama litten unter den gegenseitigen hohen Erwartungen. Der Direktor vom europäischen Thinktank Ceps, Daniel Gros, sagt, welche sich erfüllt haben und welche nicht.

Noch einmal kommt der amtierende US-Präsident Barack Obama nach Europa. Er startet seine Abschiedsreise mit einem Besuch beim griechischen Präsidenten Alexis Tsipras am Dienstag. Am Mittwoch landet Obama zum zweiten Mal in Berlin.

Zu Beginn von Obamas Präsidentschaft war die Hoffnung in Europa gross – wenn nicht euphorisch. Dann schien sich das Verhältnis zusehends abzukülen. Was bleibt nach acht Jahren Obama-USA?

SRF News: Die Hoffnungen Europas in Barack Obama war gross. Was kann man Obama aus europäischer Sicht zu Gute halten?

Daniel Gros: Bei Obamas Amtsantritt gab es einen wirklich tiefen Riss zwischen Europa und den USA. Vor allem wegen des Irak-Kriegs, aber auch sonst war die Bush-Regierung mit ihrer Konfrontationspolitik nicht auf der Linie Europas. Hier hat Obama einiges wieder kitten können, indem er wieder zugänglicher war für die Ideen und Ansichten aus Europa und aus anderen Weltteilen. Insbesondere in der Ukraine haben Obama und Europa eine gemeinsame Linie gefunden: Obama ist weder den Falken in seinem Land gefolgt, noch hat er sich vollständig aus dem Konflikt herausgehalten.

Zur Person

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Der Ökonom Daniel Gros arbeitet seit 1990 beim «Centre for European Policy Studies», kurz Ceps. Heute ist er Direktor des Thinktanks mit Sitz in Brüssel. Ceps beschäftigt sich mit den Fragen, Herausforderungen und Lösungen in der europäischen Politik.

Wo hat Obama Europa enttäuscht?

Viele Europäer haben erwartet, dass er sein Versprechen wahr macht und Guantanamo zügig schliesst – was bekanntlich nicht geschehen ist. Und bei der NSA-Affäre hat sich gezeigt, dass Obama nicht bereit war, auf den Überwachungsstaat zu verzichten, der nach 9/11 aufgebaut worden war.

Obama hatte sich mit seiner Politik sehr nach innen gerichtet, er wollte nicht mehr Weltpolizist spielen. Das war wohl eine der grössten Enttäuschungen Europas?

Es gab sicher Leute, die übertriebene Erwartungen gehegt haben. Ich glaube nicht, dass man hier Obama grosse Vorwürfe machen kann. Wenn er beispielsweise in Syrien stärker eingegriffen hätte, hätte man gesagt, die Amerikaner intervenieren wieder und richten dabei nur Schaden an. Er wäre verdammt worden für das, was er getan hätte. Und jetzt wird er verdammt dafür, was er nicht getan hat.

Libyen war auch ein Desaster.

Libyen war in erster Linie ein europäisches Anliegen. Das hätten die Europäer auch zu Ende bringen müssen. Hier haben die Europäer ähnliche Erfahrungen gemacht wie die USA im Irak: Ein Regime niederzubomben ist sehr viel einfacher, als hinterher ein Land wieder aufzubauen. Obama hat in Libyen die Europäer ganz einfach ihre eigenen Fehler machen lassen.

Obama war stets an einem handlungsfähigen, starken Europa interessiert, das sich aussenpolitisch stärker engagiert. Europa konnte allerdings Obamas Forderungen nicht erfüllen?

Obama hatte tatsächlich zu viele positive Erwartungen an Europa, die wir nicht erfüllt haben. Und jetzt haben wir mit Trump genau das Gegenteil.

Worauf muss sich Europa mit Trump jetzt vor allem einstellen?

Die Administration Trump wird Europa sicher weniger freundlich gesinnt sein. Jetzt wird Europa getestet werden, ob es eine gemeinsame innereuropäische Linie entwickeln kann, die sich von den USA unterscheidet. Europa wird sehr viel offener bleiben müssen punkto Freihandel, weil man hier mehr auf offene Märkte angewiesen ist. Dann wird Europa viel stärker als die USA in der Aussenpolitik die eigenen Werte betonen müssen. Europa muss sich noch stärker als bisher die Frage stellen, mit welchen Diktatoren man überhaupt zusammenarbeiten will. Hier muss Europa eine Gegenposition zu den USA einnehmen, wenn Staaten nicht jene Werte verkörpern, die wir verkörpern.

Das Gespräch führte Christa Gall

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