Nach fast 30 Jahren blutiger Auseinandersetzungen im Kurdenkonflikt gibt es Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Der inhaftierte kurdische Rebellenführer Abdullah Öcalan rief seine Anhänger zu einer Waffenruhe und einem Rückzug der Kämpfer auf. Er forderte zudem politische Verhandlungen und eine Demokratisierung der Türkei.
«Zeit, dass die Waffen schweigen»
Öcalans Erklärung wurde in Diyarbakir vor Hunderttausenden Kurden von Politikern der Kurdenpartei BDP verlesen.
«Es ist an der Zeit, dass die Waffen schweigen und Ideen sprechen», zitierte die PKK-nahe Agentur Firat aus Öcalans Erklärung. Alle trügen grosse Verantwortung für die Demokratisierung im Zusammenleben der Volksgruppen und ein Leben auf Grundlage von Freiheit und Gleichheit. «Es ist Zeit für Einheit und Zusammenarbeit, nicht für Konflikt», forderte Öcalan, der seit 14 Jahren im Gefängnis sitzt und dort seit Monaten mit Regierungsvertretern über eine Friedenslösung spricht.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan begrüsste den Friedensaufruf als «sehr positiv». «Das Wichtigste ist, wie er umgesetzt und ausgeführt werden kann. Das ist sehr wichtig», sagte Erdogan, der sich zurzeit auf einem Staatsbesuch in den Niederlanden aufhält. «Sobald das geschieht, wird sich die Stimmung in der Türkei und der Region verändern», sagte Erdogan. «Davon bin ich überzeugt.»
40'000 Tote
Der auf einer Insel im Marmarameer inhaftierte Öcalan hatte zu Wochenbeginn einen «historischen Aufruf» angekündigt, der den blutigen Konflikt beenden helfen soll. Die PKK hatte in den vergangenen Jahren mehrfach Waffenruhen erklärt, die allesamt nicht lange hielten, auch weil die türkische Seite diese nicht beachtete.
Öcalan hatte in den vergangenen Monaten im Gefängnis immer wieder Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern geführt. Dass er seinen Aufruf just nach einem weiteren Treffen veröffentlichte, lässt eine enge Abstimmung mit der türkischen Regierung vermuten. Ohne sie ist ein Ende des Konflikts nicht möglich.
Die islamisch-konservative Regierung Tayyip Erdogan hat in den vergangenen Wochen immer wieder signalisiert, dass sie zu einem neuen Anlauf für einen Frieden bereit ist. Der Kurdenkonflikt lähmt die politische und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, die von Krisenherden wie Syrien, Irak und Iran umgeben ist, behindert. Der Konflikt hat in rund drei Jahrzehnten schon mehr als 40'000 Menschen das Leben gekostet.
Viele Hindernisse
Der Teufel steckt nun aber im Detail. So hat Öcalan im Gespräch mit Politikern der Kurdenpartei BDP gefordert, dass der Rückzug der PKK-Kämpfer vom Parlament überwacht wird. Dies könnte der als Terrororganisation eingestuften PKK womöglich politische Legitimität geben – was nicht allen in der Türkei gefallen dürfte.
Medienberichten zufolge will die türkische Regierung einen möglichen Friedensplan von einem «Rat der Weisen» begleiten und prüfen zu lassen. Als Mitglieder werden Vertreter ziviler Organisationen und der Wirtschaft, aber auch Intellektuelle wie der mit vielen internationalen Literaturpreisen ausgezeichnete Schriftsteller Yasar Kemal gehandelt.