Werner Faymann tritt von allen Ämtern zurück. Das erklärte der österreichische Bundeskanzler und Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei SPÖ in Wien. Der starke Rückhalt innerhalb seiner Partei sei verloren gegangen, begründete der 56-Jährige den Schritt. «Die Regierung braucht einen Neustart mit Kraft.»
Die rot-schwarze Regierung von SPÖ und ÖVP hatte zuletzt ihren Asylkurs im Einklang mit den Staaten auf dem Balkan deutlich verschärft. Dies brachte Faymann deutliche Kritik ein. Anlässlich seiner Ansprache am 1. Mai war er gar von seinen Parteigenossen ausgepfiffen worden. Kritiker hielten dabeio rote Plakate mit der Aufschrift «Rücktritt!» oder «Parteitag jetzt!» in die Höhe.
Vor den Medien verteidigte Faymann allerdings erneut «das Ende der Willkommens-Kultur» und die zunehmend restriktivere Flüchtlingspolitik des Landes: «Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Massnahmen zu setzen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Land stark genug ist, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen.»
Häupl übernimmt interimistisch
Faymann hatte das Amt des Bundeskanzlers seit Ende 2008 inne. Ebenfalls 2008 war er zum Vorsitzenden seiner Partei aufgestiegen. Die SPÖ steht derzeit massiv unter Druck: Bei der Bundespräsidentenwahl kassierte die Partei jüngst eine herbe Niederlage. Ihr Kandidat Rudolf Hundstorfer schaffte es nicht in die Stichwahl.
Wiens Bürgermeister Michael Häupl soll in die Bresche springen und zunächst die Parteiführung übernehmen. Ein entsprechender Beschluss dürfte am Nachmittag im Parteivorstand fallen, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete.
Häupl selbst sprach von einer «Phase des Nachdenkens» – dies könne man am besten dann, wenn man schweige. Mögliche Spekulationen, wer das Erbe Faymanns antreten solle, wollte er deshalb nicht kommentieren.
Neuwahlen frühestens im September
Sollten nach dem Rücktritt Faymanns vorgezogene Neuwahlen folgen, würden die Österreicher voraussichtlich Anfang September an die Urnen gerufen. Für die Vorbereitung einer Nationalratswahl sind rund drei Monate nach Fixierung des Wahltermines nötig.
Der Nationalrat tritt nächste Woche planmässig zusammen. In diesen drei Tagen könnte ein Neuwahlantrag eingebracht werden.
Chancenlos bei Neuwahlen
Nur sind derzeit weder SPÖ noch ÖVP in der Lage und willens, Neuwahlen auszurufen. Sie würden nämlich nach allen vorliegenden Umfragen nicht gewinnen, erklärt Hanno Settele vom Österreichischen Rundfunk (ORF). Nur die Opposition habe Interesse an Neuwahlen, allen voran natürlich die FPÖ.
«Sie wird aber nicht einen fliegenden Koalitionswechsel mitmachen und würde nie als Juniorpartner mitgehen, wenn sie bei Neuwahlen davon ausgehen könnte, dass sie erste wird.»
Aber eine Zusammenarbeit mit der FPÖ seiI für die SPÖ auf nationaler Ebene ein Tabu, sagt Settele: «Aber mit genau diesem Kurs hat Faymann von den letzten 18 Wahlen 18 Mal Verluste eingefahren.»