25 Millionen Franken lagen auf einem Schweizer Konto eines inzwischen verhafteten Petrobras-Direktors. Aber die Brasilianer fahnden nach viel mehr – und sie wollen das in der Schweiz liegende Geld zurück.
Die Korruptionsaffäre um den halbstaatlichen Energiekonzern hat zwei Seiten. Die regierende Arbeiterpartei hat Petrobras dazu missbraucht, Wahlkämpfe zu finanzieren und vor allem die verbündeten Parteien bei Laune zu halten. Etwa drei Prozent des Wertes aller öffentlichen Petrbras-Ausschreibungen flossen zur Arbeiterpartei, die zwei ihrer Mitglieder in Direktorium der Oelfirma platziert hatte.
Deliktsumme von vier Milliarden Franken
Dieses dynamische Duo trieb auch Schmiergelder von privaten Auftragnehmern der Petrobras ein. Gelder, die ebenfalls in der inoffiziellen Kasse der der Arbeiterpartei landeten. Ein Mischkonzern führte Buch über die Zahlungen; die letzte Tranche hatte die Firma überwiesen, als die brasilianische Bundespolizei längst ermittelte. Diese veranschlagt die Deliktsumme auf vorläufig etwa vier Milliarden Franken.
Der wirtschaftliche Schaden ist beträchtlich. Die Rating-Agenturen stufen die involvierten Firmen herab; Brasilien könnte sogar die selten nach Latein-Amerika vergebene Auszeichnung des Investment Grade verlieren. Dadurch schiessen die Finanzierungskosten in die Höhe.
Aber für Merval Pereira, den Doyen der politischen Journalisten in Brasilien, ist der politische Flurschaden noch viel grösser: «Das Mass ist übervoll.» Die Gesellschaft dulde diese Praktiken nicht länger, «bei denen die Regierungspartei den politischen Betrieb über systematische Korruption finanziert».
Die Korruptionsaffäre werde Brasilien verändern, glaubt Pereira. Im besten Fall führe sie zu einer radikalen Reform des politischen Betriebs, damit die Korruption als Treibstoff der Politik ausgeschaltet werde.
Präsidentin scheiterte mit Vorstoss
Die Forderung ist nicht neu. Präsidentin Dilma Rousseff hatte nach den breiten Protesten und Unruhen vor anderthalb Jahren schon einen Vorstoss in diese Richtung unternommen. Das politische Geschäft muss transparent werden; der Staat selbst die Parteien und die Wahlkämpfe finanzieren und von den Geldempfängern Rechenschaft verlangen.
Dazu muss das Rad nicht neu erfunden werden; Chile etwa kennt längst solche Regeln. Das Problem ist, dass die Regierungspartei und ihr wichtigster Partner in der Koalition genau das nicht wollen. Gemeinsam stoppten sie den ersten Vorstoss der Präsidentin in anderthalb Tagen.
Politischer Partner ist Teil des Problems
Heute steht vor allem die Partei der Präsidentin am Pranger. Aber die Eigenheiten der brasilianischen Politik sind vielschichtiger, als es den Anschein hat. Die regierende Arbeiterpartei verfügt über relativ wenige Kongressmandate. Daher sichert die Mittepartei PMDB die Stabilität der Regierung, bislang jedenfalls. Die PMDB ist die stimmenmässig grösste Partei Brasiliens, stellt aber schon seit Jahren keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten mehr auf.
Aus der Unterstützung für die Präsidentin hat diese Partei ein blühendes Geschäft gemacht. Genau so gut könnte man sagen, sie erpresst die Regierungspartei, und zwar von Vorlage zu Vorlage im Parlament. Und dieser Partner kann der amtierenden Präsidentin nun gefährlich werden, glaubt Journalist Pereira.
Schlechte Karten für Rousseff
Es werde jetzt richtig kompliziert in Brasilien, sagt er voraus. Brasiliens politische Stabilität könne bald auf der Kippe stehen. Ziemlich sicher falle den Krämerseelen der PMDB-Partei der Vorsitz im neuen Abgeordnetenhaus zu. Und dann werde ein Absetzungsverfahren gegen Dilma Rousseff wahrscheinlich. Verliert sie es, so rückt der Vizepräsident nach, der selber zur PMDB gehört.
Die korrupteste alle politischen Kräfte käme also selber an die Macht – und an die Töpfe. Schlechte Karten hat Dilma Rousseff sowieso: Als frühere Energieministerin war sie in den Schmiergeldjahren die Präsidentin des Petrobras-Verwaltungsrates. Zu sagen, sie habe von nichts gewusst, dürfte ihr kaum weiterhelfen.