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International Politiker proben den Brexit

Was würde bei einem Brexit passieren? Eine Simulation mit hochrangigen europäischen Politikern zeigt: Die Reaktionen dürften harsch ausfallen.

«Das ist absolut unmöglich», donnert der frühere EU-Kommissar Karel de Gucht, «das ist diskriminierend.» Das Thema, das den Belgier so erzürnt: Die Begrenzung der Sozialhilfe, welche Grossbritannien für europäische Einwanderer während der ersten vier Jahre einführen will.

Es ist zwar nur ein Spiel, bei dem de Gucht da mittut – aber die Angelegenheit ist ernst. Der Londoner Think Tank Open Europe organisierte am Montag mit namhaften Ex-Politikern eine Simulation des Brexit, also des Austritts Grossbritanniens aus der EU. Bis spätestens Ende 2017 müssen die Briten entscheiden, ob sie Teil der EU bleiben oder doch lieber alleine ihres Weges gehen wollen.

«Das ganze Land ist gespalten»

Gleich zu Anfang der Simulation stellt der ehemalige britische Minister Malcolm Rifkind als Vertreter Grossbritanniens klar, was auf dem Spiel steht. «Es ist ein Fehler, zu glauben, dass Premier David Cameron diese Frage nur aus parteitaktischen Gründen lanciert hat», sagt Rifkind. «Das ganze Land ist in dieser Frage gespalten.»

Die folgenden Diskussionen drehen sich um die Forderungen Camerons an die EU. So will er unter anderem den Nicht-Euro-Ländern mehr Mitspracherechte geben und die Immigration von EU-Bürgern begrenzen, indem es in den ersten vier Jahren keine Sozialhilfe gibt.

Gegen Vetorecht von nationalen Parlamenten

Doch die europäischen Partner wehren sich dagegen, die Stimmrechte im Europäischen Rat so zu ändern, dass die Stimmen der Nicht-Mitglieder der Euro-Zone mehr Gewicht erhalten. Auch ein Vetorecht der nationalen Parlamente stösst auf Ablehnung. «Ein Brexit wäre ein Desaster, aber wir werden nicht um jeden Preis einen Kompromiss schliessen», sagt Noëlle Lenoir, frühere Ministerin für Europäische Angelegenheiten und Repräsentantin Frankreichs.

Für die heftigsten Diskussionen sorgt aber die britische Forderung nach einer Begrenzung der Einwanderung. «Die Personenfreizügigkeit ist nicht verhandelbar», ereifert sich der Vertreter Polens, Leszek Balcerowicz. «Es ist gefährlich, den Fremdenhass zu schüren», pflichtet ihm Noëlle Lenoir bei.

Brexit als «Desaster»

Als die ex-Politiker in einer zweiten Simulation den Brexit durchspielen, verschärft sich der Ton noch einmal. Zwar betonen alle, den britischen Entscheid zu respektieren, doch geben sich alle «sehr enttäuscht», Irland spricht gar von einem «Desaster».

Die teilnehmenden Politiker beschuldigen Grossbritannien, Rosinenpickerei zu betreiben und nur das zu akzeptieren, was dem Land zum eigenen Vorteil gereiche. «Wenn ihr geht, bleibt euch nur ein banaler Handelsvertrag mit der EU übrig», warnt Noëlle Lenoir.

Besser wird's nicht

Der Vertreter Polens macht klar, dass es für die Briten keinen Vertrag geben werde, der ihnen bessere Bedingungen anbiete, als was man bei den Verhandlungen erreicht habe. Dies, um andere Staaten davon abzuhalten, ebenfalls Forderungen an die EU zu richten.

Gar zu Metaphern greift die Repräsentantin Spaniens, Ana Palacio. «Ihr werdet doch nicht an Bord einer Arche Noah steigen und ganz alleine in Richtung einer globalisierten Welt segeln», sagt Palacio. «Da wäre man in unbekannten Gewässern.»

Die harschen Worte machen klar: Einen Brexit wollen die anderen europäischen Staaten verhindern. Wie hoch der Preis sein wird, den die eine oder andere Seite zu zahlen bereit ist – das ist heute noch Gegenstand von Spekulationen.

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