Für die Anklage am Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ist Radovan Karadzic einer der Hauptverantwortlichen für den Bosnienkrieg in den 1990er Jahren, bei dem mehr als 100'000 Menschen ihr Leben verloren. Allein rund 8000 Menschen starben beim Massaker von Srebrenica 1995. Damals stürmten serbische Einheiten die UNO-Sicherheitszone und ermordeten die muslimischen Männer und Knaben.
Verantwortlich für Srebrenica?
Karadzic, sein General Ratko Mladic sowie der verstorbene ex-Präsident von Jugoslawien, Slobodan Milosevic, hätten all die Verbrechen geplant und organisiert, zeigte sich Chefankläger Serge Brammertz nach dem langen Prozess in Den Haag überzeugt. Karadzic wurde schon 1995, wenige Tage nach dem Massaker von Srebrenica, vom Jugoslawien-Tribunal angeklagt. Doch es dauerte 13 Jahre, bis er verhaftet und nach Den Haag überstellt wurde.
Während dem Verfahren gegen Karadzic riefen Anklage und Verteidigung in den letzten sechs Jahren mehr als 500 Zeuginnen und Zeugen auf. Viele der gegen Karadzic vorgebrachten Beweise wurden in anderen Prozessen gutgeheissen. Deshalb wird erwartet, dass die Richter den bosnischen Serbenführer zu einer lebenslangen Strafe verurteilen werden.
Der Angeklagte beteuert nach wie vor seine Unschuld. Er sehe sich als Friedensstifter, liess er am Mittwoch in einem Interview verlauten.
Opfer und Angehörige in Den Haag
Für die Urteilsverkündigung heute Nachmittag werden in Den Haag mehrere hundert Opfer und Angehörige von Opfern erwartet. Für die Überlebenden habe eine Verurteilung auch 20 Jahre später noch immer eine sehr wichtige Bedeutung, sagte Chefankläger Brammertz.
Radovan Karadzic – ehemaliger Präsident der «Republika Srpska» – und Kriegsverbrecher?
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Bild 1 von 9. Der Bosnienkrieg (1992-1995) bleibt auch wegen des Massakers von Srebrenica in trauriger Erinnerung. Dort massakrierten bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 mindestens 6975 muslimische Jungen und Männer – noch 2004 wurden mehrere hundert Leichen entdeckt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 9. Karadzic im Mai 1993 im Gespräch mit Ratko Mladic, dem Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Armee. Beide müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag verantworten. Mladic wurde 2011 in Serbien festgenommen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 9. Als Präsident der «Republika Srpska» trat Karadzic auch auf internationalem Parkett für die serbische Sache ein. Hier bei einem Besuch am UNO-Hauptquartier in New York 1993. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Um, wie er sagte, «den Friedensprozess in Bosnien-Herzegowina» zu fördern, reiste Karadzic im Februar 1994 nach Moskau. Nach Kriegsende musste er 1996 auf internationalen Druck hin als Präsident abtreten. Kurz nachdem das UNO-Kriegsverbrechertribunal Haftbefehle gegen Mladic und Karadzic erlassen hatte, tauchten beide unter. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Am 21. Juli 2008 verkündete das serbische Präsidialamt die Festnahme Karadzics. Nach Angabe der Ermittler hatte er unter falscher Identität in Belgrad gelebt und eine Praxis als «Alternativmediziner» betrieben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. In Belgrad löste die Verhaftung des mutmasslichen Kriegsverbrechers Protestkundgebungen aus. Seit dem 30. Juli 2008 befindet sich Karadzic in der Haager Untersuchungshaftanstalt, am 26. Oktober 2009 begann der Prozess – zunächst ohne den Angeklagten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 9. Erstmals äusserte sich Karadzic am 1. März 2010 zu den Vorwürfen – und wies jede Schuld von sich. Die bosnischen Serben hätten sich nur gegen islamische Fundamentalisten verteidigt, die das Land für sich hätten beanspruchen wollen. Seit Beginn der Anklage verteidigte sich Karadzic auf eigenen Wunsch hin selbst. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Die Beweisaufnahme gegen Karadzic wurde im Mai 2012 abgeschlossen. Im Juni des gleichen Jahres forderte er den Freispruch in allen elf Anklagepunkten und leugnete, vom Massaker von Srebrenica gewusst zu haben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Sein Schlussplädoyer nutzte Karadzic, mittlerweile 69-jährig, für eine wütende Anklage gegen das Gericht. Seine Verantwortung für die ethnischen Säuberungen während des Bosnienkriegs bestritt er weiterhin. Bildquelle: Keystone.