«Die Anklage zieht die Vorwürfe zurück.» Das erklärte die Chefanklägerin am Internationalen Strafgericht (ICC). Die mutmassliche strafrechtliche Verantwortung des 53-Jährigen könne «nicht zweifelsfrei bewiesen werden», sagte Fatou Bensouda in Den Haag. Damit wird klar: Staatschef Uhuru Kenyatta kommt mit einem blauen Auge davon. Der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird überraschend eingestellt.
Uhuru Kenyatta war vor dem Weltstrafgericht im Zusammenhang mit den ethnischen Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 angeklagt. Das Gericht untersuchte die Rolle des Präsidenten und dessen Stellvertreter William Ruto bei den Ausschreitungen nach der Wahl.
Die beiden Politiker waren damals gegeneinander angetreten. Nach dem Vorwurf der Wahlfälschung gab es ethnische Unruhen. Die Bilanz: 1100 Tote und hunderttausende Menschen auf der Flucht. Sowohl Kenyatta als auch Ruto wiesen sämtliche Vorwürfe stets zurück.
Zeugen krebsten zurück
Anfang Oktober wurde Kenyatta als erster amtierender Staatschef in der Geschichte vor dem Den Haager Gericht angehört. Die Verteidigung forderte mangels Beweisen eine rasche Einstellung des Verfahrens. Am vergangenen Mittwoch gab das Gericht der Anklage dann eine Woche Zeit, stichhaltige Beweise vorzulegen oder die Anklage gegen Kenyatta zurückzuziehen.
Das Problem der Anklage war vor allem, dass sich im Lauf der Zeit immer mehr Zeugen gegen Kenyatta zurückzogen. Es wird vermutet, dass sie durch Bestechung oder Drohungen dazu gebracht wurden. Bensouda warf der kenianischen Regierung noch vor einigen Wochen vor, das Verfahren zu torpedieren und forderte einen Aufschub auf unbestimmte Zeit.
Enttäuschte Hoffnungen
In Kenia blieben die Meinungen über die Rolle Kenyattas geteilt, sagt Afrika-Korrespondent Patrik Wülser nach dem Urteil: Auf der einen Seite hätten Menschen ganze Familien auf bestialische Art verloren und seien nie entschädigt worden. Trotz Tausenden von Anzeigen habe es kein einziges lokales Gerichtsverfahren gegeben. Entsprechend gross seien die Hoffnungen auf den ICC gewesen.
Auf der anderen Seite gebe es aber auch viele Opfer, die trotz allem wieder vorausschauen wollten, berichtet Wülser. Es habe sich erneut gezeigt, dass der ICC keine Polizeigewalt in einem fremden Land habe und darauf angewiesen sei, dass lokale Gerichte und Polizei kooperierten: Auch der ICC habe heute verloren und einen Reputationsschaden erlitten: «Für Kenyatta ist es ein Triumph und seine Rückkehr in den Schoss der Staatengemeinschaft.»