Hunderte Russen haben bei einer Kundgebung in Moskau Kremlchef Wladimir Putin zu einem raschen militärischen Eingreifen im Ukraine-Konflikt aufgerufen. «Einmarsch der Truppen!» und «Putin, rette den Donbass!», skandierten die Menschen in der Nähe des Olympiastadions.
Unter den Protestierenden waren zahlreiche russisch-orthodoxe Geistliche, Kosaken sowie Ultranationalisten. Etwa 20 Organisationen hatten zu der Kundgebung für die Unterstützung des umkämpften Gebiets Donbass in der Ostukraine aufgerufen.
Putin unter Druck
Russische Hilfsorganisationen rufen seit Tagen dazu auf, die Bevölkerung in den nicht anerkannten «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk mit Spenden zu unterstützen. An vielen Stellen in Moskau stehen dafür Zelte mit durchsichtigen Urnen für das Bargeld.
Präsident Putin sieht sich im eigenen Land immer lauteren Vorwürfen ausgesetzt, er schaue tatenlos zu, während ukrainische Regierungstruppen mit Luftwaffe und Panzern auch gegen die russische Minderheit vorgingen. Der ultrakonservative Ideologe Alexander Dugin sagte auf der Kundgebung: «Unsere russischen Mitbürger im Donbass können den Angriffen nicht mehr lange standhalten. Nur eine Armee kann mit einer Armee kämpfen.»
Kritische TV-Sendung abgesetzt
Parallel zum nationalen Aufmarsch in Moskau wurde eine Fernsehsendung abgesetzt, die als die letzte unabhängige Sendung im russischen Fernsehen galt. Die wöchentliche Politiksendung von Marianna Maximowskaja sei überraschend und ohne Angabe von Gründen vom Fernsehsender Ren TV aus dem Programm genommen worden.
Der Journalist Roman Super schrieb der Nachrichtenagentur AFP, die Mitarbeiter hätten von der Absetzung erst am Freitag erfahren. Was mit ihnen geschehe, sei unklar. Die Gründe für den Schritt seien «zu offensichtlich, um kommentiert zu werden», schrieb Super. Ren TV ist der letzte landesweite Fernsehsender Russlands, der als weitgehend unabhängig gilt.
Die Sendung von Marianne Maximowskaja war eines seiner Aushängeschilder. Die 44-jährige Journalistin wagte es, Interviews mit Dissidenten und Kremlkritikern wie Michail Chodorkowski zu führen. Neben dem Internetsender Dozhd, dem Radiosender Moskauer Echo und einigen Zeitungen bot Ren TV Kritikern die Möglichkeit, ihre Meinung öffentlich zu äussern.
Letzte Sendung, um nicht vergiftet zu werden
Im Zuge der Ukraine-Krise hat sich der Druck auf unabhängige Medien in Russland aber noch einmal verschärft. Kritiker sehen die Berichterstattung über die Ukraine als einseitig und parteiisch. Beobachtern zufolge ist in der derzeitigen, zunehmend nationalistischen und anti-westlichen Stimmung kein Platz mehr für die differenzierte Berichterstattung von Maximowskaja.
«Es war die letzte Sendung, die die Leute schauten, um zu erfahren, was in der vergangenen Woche passiert ist, um nicht von Rossija und dem Ersten Kanal vergiftet zu werden», sagte die Medienexpertin Galina Timtschenko mit Blick auf zwei führende staatlich kontrollierte Sender.
Kiew: Neue militärische Erfolge
Unterdessen meldet die ukrainische Armee weitere Erfolge gegen die Separatisten im Osten des Landes. Am Samstag seien die Orte Krasnogorowka und Staromikschailowka eingenommen worden, hiess es in Kiew. Mit der Kontrolle über die beiden Ortschaften stehe man unmittelbar vor der Millionen-Metropole Donezk. Donezk ist eine der letzten verbliebenen Hochburgen der pro-russischen Separatisten.
Eingehalten wurde unterdessen offenbar die rund um die Absturzstelle des malaysischen Verkehrsflugzeuges vereinbarte Waffenruhe. Damit konnten die internationalen Expertenteams die Untersuchung der Unfallursache und die Bergung von Leichen fortsetzen. An den jüngsten Suchaktionen waren auch Spürhunde im Einsatz.
Weitere Leichenteile entdeckt
Die an der Absturzstelle der malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine geborgenen Leichenteile sollen am Sonntag nach Charkow gebracht werden. Das hatte der Leiter der Gebietsverwaltung, Igor Baluta, angekündigt. Von dort aus werden die sterblichen Überreste voraussichtlich zur weiteren Untersuchung und Identifizierung der Opfer in die Niederlande ausgeflogen.
Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren am Samstag fast 80 internationale Experten an dem Trümmerfeld im Ort Grabowo im Einsatz.