Im Fall der Ruag hat die Bundesanwaltschaft (BA) im Januar 2016 ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet. Möglicher Tatbestand: Wirtschaftsspionage nach Artikel 273 StGB. Bezüglich der Erfolgschancen dieses Verfahrens gibt sich die BA indes keinen Illusionen hin.
«Rechtshilfeersuche, welche den verbotenen Nachrichtendienst betreffen, bleiben erfahrungsgemäss unbeantwortet», schreibt die Behörde auf Anfrage von SRF News. Das Interesse von angreifenden Staaten oder Organisationen an der Offenlegung von Wirtschaftsspionage sei gering.
Übertragen auf den Rechtsalltag des «kleinen Mannes», bedeutet diese Aussage vor allem eines: Offenbar gibt es ein Recht, dass Staaten das Spionieren verbietet, aber keine Richter, die in der Lage wären, Zuwiderhandlungen zu ahnden.
Eigene Gesetze am Laufmeter brechen
Ganser bestätigt diese Auffassung im Grossen und Ganzen. «Die UNO-Charta von 1945 lässt keine Zweifel», sagt Ganser im Gespräch mit SRF News, «es ist Nationen verboten, zur Befriedigung ihrer Interessen andere Staaten anzugreifen, in ihnen Revolutionen zu entfachen, eine Regierung zu stürzen oder ihnen Informationen zu stehlen.»
Wer dem zuwider handelt, wird mittels einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates bestraft. So zumindest die Theorie des Völkerrechts.
In Wahrheit hätten die Unterzeichner der Charta in den vergangenen Jahren dieses Gesetz mehr als 50 Mal gebrochen. Damit hätten sie gleichzeitig den Sicherheitsrat sabotiert, erklärt Ganser. Ohne jegliche Konsequenzen.
Die Liste der Beispiele ist lang. Sie reicht über den vom britischen MI6 orchestrierten Sturz der iranischen Regierung im Jahr 1953, über die Invasion von Kuba durch die CIA 1961, die Bombardierung von Serbien im Kosovokrieg 1999, den Putsch in der Ukraine 2014 oder den laufenden Syrienkrieg.
Bush und Blair haben knallhart gelogen
Ungeachtet der Allianzen verlaufen diese Rechtsbrüche gemäss Ganser nach dem immer gleichen Muster. Eine Nation wähnt ihre (in fast allen Fällen ökonomischen) Interessen durch eine andere Nation oder durch Bevölkerungsgruppen dieser Nation in Gefahr. Dann lokalisiert sie gesellschaftliche Problemherde in der vermeintlich feindlichen Nation (im Nahen Osten oft religiöse Bruchlinien) und sorgt entlang dieser Bruchlinien für Spannungen.
«Bricht dann ein Konflikt aus, solidarisieren sich die verdeckten Angreifer mit der einen Gruppe und erklären die andere zur Achse des Bösen», sagt Ganser und verweist auf den Libyenkrieg 2011. Alle folgenden, völkerrechtlichen Missachtungen würden dann unter dem Deckmäntelchen militärischer Hilfestellung begangen und vor der eigenen Bevölkerung legitimiert. «Und zur Not erschleichen sie sich diese Legitimation auch mit knallharten Lügen, wie George Bush und Tony Blair im Irakkrieg bewiesen.»
Seit 1945 führen die Siegermächte des 2. Weltkrieges einen versteckten Krieg.
Es liegt für Ganser an der aktuellen Ausgestaltung der UNO-Idee, dass Nationen wie China, die USA oder auch Grossbritannien mit solch Dreistigkeiten durchkommen, ohne auch nur eine Feder zu lassen. «Das Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates verhindert eine effektive Umsetzung der UNO-Charta von 1945», prangert Ganser den gegenwärtigen Zustand zwischenstaatlicher Interessensregulierung an.
«Man kann es kaum anders ausdrücken: Seit 1945 führen die Siegermächte des 2. Weltkrieges immer wieder verdeckte Kriege, obschon diese verboten sind.» Gelange ein Fehlverhalten ans Licht, entgehe das ständige Sicherheitsrats-Mitglied seiner Bestrafung, indem es in der UNO lüge oder gegen die entsprechende Resolution sein Veto einlege, ergänzt Ganser.
Mehr zum Fall «Ruag»
Hinzukomme, dass diese 5 Grossmächte so genannte Klientelstaaten um sich scharen würden. Staaten, die unter ihrem Schutz das Völkerrecht ebenfalls mit Füssen treten und dann vor der UNO in den Genuss des entsprechenden Vetos der mit ihnen konspirierenden Grossmacht kommen. Eines, aber bei Weitem nicht das einzige Beispiel dafür ist die Seilschaft zwischen Israel und den USA.
Wir alle tragen eine Verantwortung
Aber einfach an dieser Stelle den Sack zuzumachen, wäre zu einfach, findet Ganser. «Auch wir sind anfällig für die Metapher des Bösen», führt der Wissenschaftler aus. Sobald Politiker unseren Wohlstand, sprich: unsere Arbeitsplätze ins Feld führen, sei so manch ein Bürger gewillt, über Missachtungen des Völkerrechts hinwegzusehen.
Dabei täten gerade kleine Staaten gut daran, auf der Durchsetzung beschlossenen Rechts zu bestehen. Und auch dazu, wie das konkret ausschauen könnte, hat Ganser Ideen: «Wir sollten unsere Neutralität hegen und der UNO Sorge tragen», sagt Ganser. Und wir sollten die Förderung erneuerbarer Energien vorantreiben. Denn in den meisten Fällen sei es die Abhängigkeit von Rohstoffen, die Nationen dazu verleiten würden, die UNO-Charta zu unterlaufen, oder mit Staaten, die das tun, gemeinsame Sache zu machen.
So wird die UNO-Charta mit Füssen getreten
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Bild 1 von 18. Nordkorea überfällt Südkorea 1950:. Am 25. Juni 1950 fallen Truppen Nordkoreas in Südkorea ein. Mit der Einmischung durch die USA und China wird aus dem Konflikt rasch ein internationaler Stellvertreter-Krieg. Gemäss der UNO-Charta ist dies in jedem Fall ein Verbrechen. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 2 von 18. Intervention der USA in Guatemala 1954:. Die USA lanciert über den Auslandsgeheimdienst CIA eine Kampagne in Guatemala. Dabei wird der damalige Präsident Jacobo Árbenz Guzmán entmachtet. Auch dieser Eingriff in die Souveränität einer Nation ist verboten. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 3 von 18. Suezkrise in Ägypten 1956:. Ägyptens Präsidenten Gamal Abdel Nasser verstaatlicht im Juli 1956 den Suez-Kanal, 12 Jahre vor Ablauf der Konzession der mehrheitlich britisch-französische Suezkanal-Gesellschaft. Im Oktober überfallen britische, französische und israelische Truppen Ägypten. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 4 von 18. Sowjetischer Einmarsch in Ungarn 1956:. Die Revolution in Ungarn beginnt am 23. Oktober 1956 mit einer friedlichen Grossdemonstration von Studenten. Sie fordertn demokratische Veränderungen. Zudem soll die Sowjetunion ihre Truppen abzuziehen. Der Freiheitskampf endet mit dem Einmarsch einer verstärkten übermächtigen Sowjet-Armee. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 18. Indiens Überfall auf Goa 1961:. Die «Befreiung» Goas 1961 aus dem 451 Jahre andauernden Besitz durch Portugal mag aus Sicht Indiens gerecht gewesen sein. Aus Sicht der UNO-Charta handelte es sich dabei um eine gewalttätige Aggression. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 6 von 18. Invasion in Kuba 1961:. Am 17. April 1961 landet eine US-Brigade mit rund 1500 Soldaten in der Schweinebucht im Süden der Insel Kuba. Doch Fidel Castro war auf diese Invasion vorbereitet. Am 20. April geben die Invasoren schliesslich auf. 104 US-Soldaten waren gefallen, die restlichen werden gefangengenommen. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 7 von 18. US-Invasion in der Dominikanischen Republik 1965:. Truppen der US-Armee greifen auf Befehl von Präsident Lyndon B. Johnson in die dominikanische Revolution ein und entscheiden sie zugunsten der antikommunistischen Kräfte. Ein Vorgehen, das von der UNO-Charta streng untersagt wird. Bildquelle: Wikipedia.
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Bild 8 von 18. Eintritt der USA in den Vietnam-Krieg 1965:. Ab Februar 1965 lässt US-Präsident Lyndon B. Johnson Nordvietnam bombardieren. Ab März entsendet er immer mehr Bodentruppen nach Südvietnam, die dort die National Liberation Front bekämpfen sollen. Daraufhin unterstützen die Sowjetunion und die Volksrepublik China Nordvietnam militärisch. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 18. Sowjetischer Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968:. Am 21. August 1968 marschieren Truppen des Warschauer Pakts in Prag ein. Sie unterbinden damit den Versuch der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 18. Die arabisch-israelischen Kriege 1967 und 1973:. Israel unternimmt einen Erstschlag gegen die ägyptischen Truppen im Rahmen des Sechstagekriegs. Für die westliche Welt ein verständlicher Akt. Im Sinne der UNO-Charta aber verboten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 18. Vietnamesische Invasion in Kambodscha 1979:. Auch Vietnams Eingreifen in Kambodscha mit Hilfe der USA und weiterer Verbündeter zum Sturz der Roten Khmer ist aus Sicht des Völkerrechts ein illegaler Krieg gewesen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 18. Sowjetischer Einmarsch in Afganistan 1979:. Zwischen 1979 und 1989 greift die Sowjetunion in Afghanistan auf der Seite der Regierung gegen afghanische Mudschaheddin ein. Diese werden politisch und materiell von den führenden Staaten der Nato und der islamischen Welt unterstützt. Ein weiterer Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion. Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 18. Einmarsch Ugandas in Tansania 1979:. Im Sinne der UNO-Charta handelt es sich beim Einmarsch um einen widerrechtlichen Kriegsakt. Streitkräfte des ugandischen Diktators Idi Amin dringen im tansanischen Kagerastreifen ein. Der Krieg endet mit Ungandas Niederlage und dem Exil von Amin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 18. Argentiniens Invasion auf den Falkland-Inseln 1982:. Am 2. April 1982 marschieren argentinische Truppen auf den bis dahin britischen Falkland-Inseln ein. Die Inseln bleiben in britischer Hand, was dem Wunsch ihrer Bevölkerung entspricht. In Argentinien führt der Ausgang des Krieges zum Sturz der Militärjunta und zur Wiederherstellung des demokratischen Systems. Bildquelle: Reuters.
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Bild 15 von 18. US-Invasion in Grenada 1983:. Am 25. Oktober 1983 beginnt die Invasion der USA in Grenada. Die US-Armee hat insgesamt mehr Männer unter Waffen als die gesamte Bevölkerung Grenadas und damit eine massive militärische Überlegenheit. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 18. US-Invasion in Panama 1989:. Wiederum wegen einer Wasserstrasse, nämlich dem Panama-Kanal, fallen US-Truppen am 20. Dezember 1989 in Panama City ein. Ein Akt, der insbesondere von Grossbritannien mit massiv kritisiert wird und gegen die UNO-Charta verstösst. Bildquelle: wikipedia.
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Bild 17 von 18. Iraks Invasion in Kuwait 1990:. Am 2. August 1990 greift der Irak in einer Stärke von ungefähr 100'000 Mann Kuwait an und gewinnt strategisch wichtige Gebiete, einschliesslich dem Palast des Emirs. Für Iraks Diktator Saddam Hussein endete der Angriff 2003 mit dem Irak-Krieg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 18. Kosovo-Krieg 1999:. Nach der serbischen Aggression im Kosovo reagieren die Nato-Staaten und greifen die Bundesrepublik Jugoslawien an, ohne dafür ein UNO-Mandat zu haben und ohne dass ein Mitgliedsland angegriffen und so der Bündnisfall der Nato ausgelöst worden wäre. Bildquelle: Keystone.