Im Kalten Krieg war es gang und gäbe: Die Langstreckenbomber der beiden Supermächte USA und Sowjetunion patrouillierten unablässig rund um den Globus, oft sehr nahe am feindlichen Luftraum. Es ging damals darum, gewappnet zu sein, falls plötzlich ein Krieg ausbräche. Es ging um Spionage, zumal die Satellitenaufklärung noch in den Kinderschuhen steckte – und um ein Muskelspiel, um Drohgebärden.
Heute geht es den Russen wohl nur noch um letzteres. Denn im vergangenen Vierteljahrhundert galten solche Bomber-Patrouillen als militärisch überflüssig. Erst voriges Jahr begann Moskau als Folge der Ukraine-Krise plötzlich wieder damit. Man nehme die sogenannten Erkundungsflüge sehr ernst, erklärte US-Admiral John Kirby dem Sender CNN.
Nato kritisiert Russlands Heimlichtuerei
Russland führte inzwischen vermutlich hunderte von solchen Flügen durch: im Baltikum, über Skandinavien, rund um Schottland und England und sogar nahe der Lufträume der USA und Kanadas. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigt sich irritiert. Das Problem sei nicht in erster Linie die schiere Zahl der Bomberflüge, sondern vielmehr die russische Heimlichtuerei.
Auch die jüngste Patrouille vor Grossbritannien mit Tupolew-95 Langstreckenbombern wurde bei der Flugsicherung nicht angemeldet. Die Piloten verweigerten Kontaktversuche durch die Fluglotsen und schalteten den sogenannten Transponder aus. Dieser Funksender erlaubt es, Flugzeuge zu identifizieren und deren Tempo, Flughöhe und Position zu erkennen.
In dichtbeflogenen Gebieten unterwegs
Nato-Chef Stoltenberg sieht die zivile Luftfahrt gefährdet. Die Tupolew-Bomber flogen diese Woche durch einen der meistgenutzten Lufträume der Welt: Denn fast alle Passagiermaschinen auf dem Weg von der Schweiz nach Nordamerika durchqueren genau diese Zone.
Voriges Jahr verursachten russische Militärflüge beinahe einen Zusammenstoss mit einem zivilen Flugzeug bei Kopenhagen. Je mehr solche unangemeldete Geheimpatrouillen Russland durchführt, umso wahrscheinlicher wird ein Unglück.
Der britische Aussenminister Philip Hammond spricht von einem «extrem aggressiven Verhalten» und bestellte den russischen Botschafter Alexander Jakowenko ein. Dieser bezeichnete die Bomberflüge als Routine, als völlig legal und als weder bedrohlich noch destabilisierend.
Völkerrechtlich legal aber dennoch gefährlich
Jakowenko hat Recht, was die völkerrechtliche Legalität betrifft. Denn solange Moskaus Bomber im internationalen Luftraum bleiben und kein nationales Hoheitsgebiet verletzen, sind sie legal. Zudem besteht keine Pflicht, den Transponder zu benutzen. Dennoch sind die Flüge nicht bloss eine Provokation: Sie sind eine mutwillig herbeigeführte Gefahr für den gesamten Flugverkehr.