Sahra Wagenknecht kommt eine halbe Stunde später als vereinbart zum Interview. Krisensitzung bei ihrer Partei. Die Linke hat bei den Landtagswahlen vom Wochenende verloren, gleich in drei Bundesländern ihre Ziele verfehlt.
Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag steht in der Kritik. Unter anderem auch wegen einer Bemerkung, die sie vor einigen Wochen in der Diskussion über kriminelle Flüchtlinge gemacht hat: «Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt.» Das kam bei vielen Linken nicht gut an.
Ich glaube, dass diese Landtagswahlen auch eine Momentaufnahme sind, die natürlich sehr viel mit der völlig absurden Art und Weise der Flüchtlingspolitik in Deutschland zu tun hat.
Für den Erfolg der rechten AfD und die Verluste bei den anderen Parteien macht sie aber die Flüchtlingspolitik der Regierung verantwortlich.«Ich glaube, dass diese Landtagswahlen auch eine Momentaufnahme sind, die natürlich sehr viel mit der völlig absurden Art und Weise der Flüchtlingspolitik in Deutschland zu tun hat.» Dies habe die Menschen extrem verunsichert, weil sie einfach das Gefühl und eine riesige Angst hätten, diese Regierung habe gar nichts mehr im Griff. Diese Angst sei nun der AfD zugute gekommen. In einem halben Jahr könne es aber schon wieder anders aussehen.
Diese Angst ist nun der AfD zugute gekommen. Das kann in einem halben Jahr schon wieder anders aussehen.
Zur Frustration und Verunsicherung der Menschen trage bei, dass es vielen in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung immer schlechter gehe. Eine Diskussion darüber aber finde fast gar nicht statt. Diese Diskussion will Wagenknecht mit ihrem Buch «Reichtum ohne Gier: Wie wir uns von dem Kapitalismus retten» anstossen.
Wir müssen uns mit dem Totschlagargument ‹Na zeig mir ein Land, wo's schon mal besser funktioniert hat als im Kapitalismus!› nicht davon abbringen lassen, kreativ über neue Lösungen nachzudenken.
Es könnte uns nämlich besser gehen, ist Wagenknecht überzeugt. Zurück zur Planwirtschaft der DDR, wo sie aufgewachsen ist, will sie allerdings nicht. Sie schlägt eine Wirtschaftsordnung vor, in der Unternehmen nicht Gewinn für Shareholder machen, sondern um diesen in Innovation und echten Fortschritt zu stecken.
Der Kapitalismus behindere nämlich Wettbewerb und den freien Markt, auch wenn er das Gegenteil behaupte, sagt Wagenknecht. Dass ihr unter anderem die CDU vorwerfe, sie habe früher das System in der DDR unterstützt, findet sie eine «ziemliche Verleumdung».
Während sie in der DDR nicht studieren durfte, weil sie das System kritisierte, sei Kanzlerin Angela Merkel eine recht angepasste Frau gewesen, stellt Wagenknecht fest. Das mache sie ihr nicht zum Vorwurf. Nur, dann solle man ihr nicht vorwerfen, sie habe die DDR unterstützt. Studieren konnte Wagenknecht erst nach der Wende.