Die neugierigen Augen scheinen gar nicht so recht zu Ahmed Mourad zu passen. Er wirkt eher verschlossen, nur selten huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Lieber beobachtet er, als selbst im Rampenlicht zu stehen. Lieber stellt er Fragen, als Antworten zu geben.
Eigentlich wollte er ja auch Filmemacher werden. Aber davon wurde der Bauch nicht voll. Deshalb zögerte er nicht lange, als ihm vor zehn Jahren der Job des Hof-Fotografen von Hosni Mubarak angeboten wurde.
Was ich im Zentrum der Macht alles gesehen und gehört habe, würde für mindestens zehn Bücher reichen.
So kam es, dass er fünf Jahre lang den Mann ins rechte Licht rückte, den er als Politiker zutiefst verachtete, als Privatperson aber schätzen lernte. «Er war sehr nett – zu mir zumindest», sagt Ahmed Mourad. Pikante Details aus dem Präsidentenpalast gibt er aber nicht preis: «Privates bleibt privat.»
In der Zeit als Fotograf verarbeitete Ahmed Mourad seine Beobachtungen in zwei Kriminalromanen über gierige, korrupte Geschäftsleute und Politiker, die mit Beziehungen und der Ausbeutung der Armen ihren Reichtum anhäufen. Was er im Zentrum der Macht alles gesehen und gehört habe, würde für mindestens zehn Bücher reichen, sagt er.
Keine Reaktion auf regime-kritisches Buch
Das Schreiben war für ihn ein Ventil, ja sogar ein revolutionärer Akt. Man könne auch mit Worten demonstrieren. Er habe aber nicht zerstören wollen, sondern zum Denken anregen, erklärt Mourad. Er habe den Mubaraks 2007 ein Exemplar seines ersten Romans «Vertigo» geschenkt, weil sie sich danach erkundigten.
Seine Angst, den Job zu verlieren, erwies sich jedoch als unbegründet: Im Präsidentenpalast wird kaum gelesen – und schon gar keine ägyptischen Romane.
Als der Landesvater nach 30 Jahren endlich abtrat, war die Freude im Land zunächst riesig. Allerdings nur für kurze Zeit. Die kindliche Freude über den Sturz des Patriarchen wich bald der Ernüchterung. Denn die Unsicherheit nahm zu und die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes blieben bestehen.
Mit der gewaltsamen Vertreibung der Islamisten durch die Armee ist die Gesellschaft total in sich zusammengefallen.
Und Mourad realisierte: Mubarak steckt noch immer in jedem der 90 Millionen Ägypter. Die Ernüchterung in der Bevölkerung schlug 2013 schliesslich um in Wut, nachdem die Muslimbrüder den Staat zu ihrem eigenen Vorteil umzubauen begannen. Mit der gewaltsamen Vertreibung der Islamisten durch die Armee sei die Gesellschaft total in sich zusammengefallen.
Jetzt brauche Ägypten viel Zeit, um die Wunden zu heilen, um wieder auf die Beine zu kommen, ist Mourad überzeugt. In den Chor der Stimmen, die das Regime von Präsident al Sisi kritisieren, mag er nicht einstimmen: Gegen 1200 getötete Muslimbrüder, 400'000 politische Gefangene, Hunderte von Todesurteilen und absurde Gerichtsentscheide – zum Beispiel gegen den Schriftsteller Ahmed Nagy, der wegen einer harmlosen Sexszene zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde.
«Das stimmt alles», gibt Mourad zu. Aber er ist – wie die Mehrheit in der Bevölkerung – noch immer bereit, der Stabilität des Landes sehr vieles unterzuordnen. In den ausländischen, vor allem westlichen Medien laufe eine richtige Hasskampagne gegen Ägypten, glaubt er. Das bringe nichts, denn es gebe derzeit schlicht keine Alternative zu Präsident al Sisi. Er habe dafür gesorgt, dass das Land – nicht wie andere in der Region – im Bürgerkrieg versunken sei.
Klare Ansage an fremde Kritiker
Was die Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten betrifft, solle der Westen doch vor der eigenen Tür kehren, mahnt Mourad. Auch Frankreich habe im Namen der Terrorbekämpfung die Freiheit umgehend eingeschränkt.
Aber sind die Verhältnisse in Ägypten heute nicht sogar schlimmer als unter Mubarak? Mourad schüttelt den Kopf: Er sei noch immer zuversichtlich. Erst wolle er beobachten und begreifen, was passiert. Noch sei es zu früh, ein abschliessendes Urteil über die Umwälzungen in seinem Land zu fällen.