Mit dem Richterspruch wächst nun der Druck auf die Regierung, Parlamentswahlen anzuberaumen. Geplant waren diese bereits im April. Angesichts von Wirtschaftskrise und Boykottaufrufen der Opposition waren die Wahlen aber abgesagt worden.
Laut Gericht ist das Wahlrecht – auf dessen Grundlage das Oberhaus des Parlaments gewählt wurde – nicht verfassungsgemäss. Der so genannte Schura-Rat nimmt derzeit allein die Rolle des Parlaments ein. Denn im Sommer des vergangenen Jahres war bereits das Unterhaus wegen formaler Fehler im gleichen Wahlgesetz aufgelöst worden.
Allerdings sollen die 270 Mitglieder der zweiten Kammer noch so lange Gesetze beschliessen, bis ein neues Unterhaus gewählt ist. Die Schura wird von den regierenden Muslimbrüdern und den Salafisten dominiert.
Punktsieg für die Justiz
Das Verfassungsgericht erklärte ferner die Verfassungsgebende Versammlung für ungültig, die im Winter das neue Grundgesetz erarbeitet hatte. Die neue Verfassung räumt islamischen Religionsgelehrten in Ägypten mehr Befugnisse ein und wurde bereits bei einem Referendum im Dezember bestätigt.
Die Auswirkungen des Urteils sind nicht klar. Einige Experten stellten fest, dass die Verfassung nicht juristisch angegriffen werden könne, da sie per Referendum von der Bevölkerung angenommen wurde.
Neben der Wirtschaftskrise hat Ägypten damit nun auch eine neue Verfassungskrise zu überwinden. Mehr als zwei Jahre nach dem Arabischen Frühling sind somit die wichtigsten Neuerungen der islamistischen Führung zurückgenommen worden. Und die Justiz – die schon seit langem in einem Machtkampf mit den Muslimbrüdern steckt – hat einen weiteren Punktsieg erreicht.