Die Türkei hat Belgien nach Angaben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bereits im Juli 2015 vor einem der Brüsseler Attentäter gewarnt. Doch trotz des Hinweises, der Mann sei ein «ausländischer terroristischer Kämpfer», sei er von den belgischen Behörden freigelassen worden. Belgiens Justizminister wies den Vorwurf der Fahrlässigkeit zurück.
Es zeigt sich: Die Zusammenarbeit zwischen den westeuropäischen und den türkischen Sicherheitsdiensten gestaltet sich schwierig. Das hat mehrere Gründe, wie der Journalist Thomas Seibert im Interview erklärt.
SRF News: Worum ging es bei der Warnung aus Ankara wegen eines der Attentäter von Brüssel genau?
Thomas Seibert: Ibrahim El Bakraoui wurde laut Erdogan Mitte vergangenen Juni im türkischen Gaziantep festgenommen und dann abgeschoben. Die belgischen und auch die niederländischen Behörden seien informiert worden, denn der Flug mit Bakraoui ging von der Türkei in die Niederlande. Kurz darauf sei der spätere Attentäter von Brüssel von den belgischen Behörden freigelassen worden, so Erdogan.
Der türkische Präsident reagiert mit Unverständnis, dass es nun zu den Anschlägen in Brüssel gekommen ist. Kommt hinzu, dass auch vor den Anschlägen in Paris türkische Warnungen ignoriert worden sein sollen. Ist da von Erdogan auch Frustration herauszuhören?
Auf jeden Fall. Die Türken beklagen sich seit Jahren darüber, sie würden nicht genügend Geheimdienstinformationen aus Europa erhalten. Die Türkei hat eine Liste mit mehr als 33'000 Namen mutmasslicher ausländischer IS-Anhänger erstellt, die nicht mehr ins Land gelassen werden. In den vergangenen Jahren wurden mehr als 3000 Ausländer abgeschoben. Allerdings kann die Türkei angesichts der Reisefreiheit, welche die Europäer geniessen, unmöglich alle 30 Millionen Touristen im Detail kontrollieren, die jedes Jahr ins Land kommen. Hier macht Ankara den Europäern denn auch den Vorwurf, von den Geheimdiensten zu wenig Informationen zu erhalten.
Wieso fliessen die Informationen zwischen den EU-Ländern und der Türkei so schlecht?
Grundsätzlich gibt kein Geheimdienst seine Erkenntnisse gerne heraus – auch nicht an Partner. Sogar die europäischen Staaten schaffen es ja kaum, ihre Informationen untereinander auszutauschen. Ensprechend schwierig ist die Zusammenarbeit mit einem nicht-europäischen Land wie der Türkei. Die Reisefreiheit erschwert das Ganze zusätzlich: Wenn zum Beispiel ein deutscher Salafist nach Istanbul fliegt, fällt das den deutschen Diensten vielleicht erst nach ein paar Tagen auf. Auch wenn die Türken dann gewarnt werden – der Mann ist zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon in Syrien.
Beim aktuellen Treffen der EU-Innenminister ist auch die grenzüberschreitende Terrorbekämpfung ein Thema. Was glauben Sie: Wird nach den Anschlägen von Brüssel nun auch die Zusammenarbeit mit der Türkei verbessert?
Wohl kaum. Der Türkei geht es nicht nur um den sogenannten Islamischen Staat, sondern auch um die Kurdenrebellen von der PKK. In diesem Bereich möchte die Türkei eine engere Zusammenarbeit mit den Europäern. Denn für die PKK ist Westeuropa ein wichtiges Rückzugsgebiet. Zudem werden dort zur Finanzierung der Organisation auch Zwangsgelder eingetrieben. Seit Jahren beschwert sich die Türkei über die Europäer, diese würden viel zu wenig gegen die PKK unternehmen. Ich sehe nicht ein, wieso sich das nun plötzlich ändern sollte.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.