Das russische Parlament hat zwei höchst umstrittene Gesetze verabschiedet. Eins, das hohe Strafen für Menschen vorsieht, welche religiöse Gefühle verletzen. Und ein zweites, das die sogenannte Propaganda für Homosexualität unter Strafe stellt.
Mit beiden Gesetzen werden die Repressions-Instrumente des russischen Justizapparates verstärkt. Der Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin warnte, das Verbot könne zu «menschlichen Opfern und Tragödien» führen. Schwule und Lesben in Russland befürchten nun verstärkt homophobe Übergriffe.
Rückfall in Sowjet-Zeiten
Das sogenannte Gesetz gegen Gotteslästerung wird von vielen juristisch Kundigen in Russland als völlig unnötig bezeichnet. Denn auch ohne dieses Gesetz macht sich strafbar, wer Dritte oder auch Religionsgemeinschaften massiv beleidigt.
«Das neue Gesetz stärkt vor allem symbolisch die Position der erzkonservativen russisch-orthodoxen Kirche», so die Einschätzung von Peter Gysling in Moskau. Diese sei heute wieder so staatsnah, wie sie es während sowjetischer Zeiten war. «Kommt das Regime in Bedrängnis, so steht ihm die Kirche bei», erklärt er.
Aber auch der Staat selbst tue viel, um «seine» Kirche zu stärken, so der SRF-Korrespondent. «Mit dem neuen Strafgesetz sollen wohl nachträglich die drastischen Gefängnisstrafen gerechtfertigt werden, zu denen die politisch oppositionellen Pussy-Riot-Frauen im letzten Jahr verurteilt worden sind.»
Homophobie auf Vormarsch
Weitaus einschneidender als das Gotteslästerungsverbot wird sich seiner Meinung nach aber das sogenannte Homosexualitäts-Propaganda-Verbot auswirken. Der Verabschiedung sind zahlreiche homophobe Aktionen voraus gegangen.
«Homosexuelle werden im heutigen Russland stigmatisiert, zum Teil auf offener Strasse verprügelt, oder, wie jüngst in Wolgograd, auch ermordet», erklärt Gysling. Bei dem Gesetz gehe es vor allem um den Kinderschutz, sagte eine Befürworterin, die Duma-Abgeordnete Elena Misulina: «Hier werden Informationen verbreitet, welche bei Kindern nicht-traditionelle Sexualität als attraktiv erscheinen lässt.»
Den Medien drohen Geldbussen
Informationen zum Thema Homosexualität sind damit strafbar. Wenn beispielsweise russische Zeitungen über Schwule und Lesben berichten, so können sie für drei Monate eingestellt werden. Ihnen drohen zudem Bussen von bis zu 30'000 Franken. Ausländer müssen mit Abschiebung und Arrest rechnen.
Die 29jährige Anna Kuritsina, eine bekennende Lesbe, ist empört. Sie fürchtet, dass die Homosexuellen in Russland jetzt noch mit mehr Aggressionen und homophoben Vorurteilen konfrontiert werden: «Dieses Gesetz bedeutet, dass sich jetzt alle Schwulen und Lesben davor fürchten müssen, hier in diesem Land zu leben. Das Gesetz nimmt ihnen auch das Recht, Kinder zu haben. Und das ist schrecklich.»