Für Bundespräsident Didier Burkhalter ist das Jahr 2014 ein arbeitsreiches; er ist zusätzlich noch Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Doch der Aussenminister nutzt das Amt, um der Schweizer Aussenpolitik neues Profil zu verleihen.
Laut Christian Nünlist, Historiker am Zentrum für Sicherheitspolitik an der ETH Zürich, hat die OSZE mit der Ukrainekrise ein erstaunliches Comeback erlebt. Die Krise habe grundlegende Prinzipien der OSZE verletzt, so der Historiker. Dass Russland auf der ukrainischen Halbinsel Krim militärisch interveniert habe, sei ein Verstoss gegen das Völkerrecht. In dieser Situation habe es sich erwiesen, dass die OSZE ein nützliches Instrument sei. «Insbesondere da, wo EU oder Nato selbst Konfliktparteien sind.»
Kontakt mit allen Involvierten
Schon in den 1990er-Jahren hat die OSZE eine grosse Rolle gespielt – bei der Stabilisierung des Balkans. Dann ist sie jedoch in Vergessenheit geraten. Brüssel ist mit EU und Nato ins Bewusstsein gerückt. Laut Nünlist ist es jedoch ein Glücksfall, dass die Schweiz in diesem Jahr und während des Ukraine-Konflikts die OSZE präsidiere. «Bei der derzeitigen Konfliktlage zwischen Ost und West ist es gut, dass ein neutrales Land den Vorsitz hat. Ein Land, das überall akzeptiert wird.»
Der Konflikt sei über Nacht gekommen und habe eine erstaunliche Dynamik entwickelt. Es sei schwierig, immer wieder die richtigen Instrumente zu wählen, die eine Deeskalation ermöglichen. «Didier Burkhalter und die Schweizer Diplomatie lösen diese Aufgabe sehr gut. Das wird auch von überall bestätigt.»
Für die Schweiz sei diese Aufgabe auch eine grosse Chance. Sie könne den Kontakt auf allen Seiten halten. Es sei wertvoll, wenn die OSZE ein Vorsitzland habe, das beispielsweise den Kontakt mit Russland offenhalten könne. Viele westliche Staaten hätten die Gespräche mit Putin abgebrochen – nicht so die Schweiz. Zudem könne der enge Kontakt zu europäischen Staats- und Regierungschefs auch später einmal helfen – beispielsweise bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.
Anhaltende Waffenruhe als Ziel
Für das zweite Halbjahr geht Christian Nünlist davon aus, dass der Konflikt in der Ostukraine weitergeht. Auch der Südkaukasus könnte in den Strudel dieser Krise geraten, mutmasst der Historiker. Georgien habe sich der EU angenähert – daher könne es gut sein, dass Russland in Südossetien und Abchasien eine ähnliche Destabilisierungsstrategie fahre wie in der Ukraine. Ein Ende der Krise unter Schweizer Präsidentschaft sei also unwahrscheinlich – eine anhaltende Waffenruhe dürfte jedoch bereits als Erfolg gewertet werden.