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International Sechzig Jahre nach seinem Tod: Stalin wird zum Helden

Russland erlebt zurzeit ein Kult um den Sowjetdiktator Stalin. Doch viele im Riesenreich sind erstaunt, dass die Debatte um den Despoten gerade jetzt so heiss läuft.

Stalin-Porträts auf Bussen, auf Heiligenbildern und Heldenpostern – der Kult um den vor 60 Jahren gestorbenen Sowjetdiktator Josef Stalin kennt in Russland kaum noch Grenzen.

Der Despot, geboren 1879 als Josef Dschugaschwili, starb am 5. März 1953 im Alter von 73 Jahren. Zum Todestag erinnern Filme im russischen Staatsfernsehen an den Mann. Konferenzen haben ihn zum Thema, der einst nicht nur die Sowjetunion, sondern den ganzen Ostblock beherrschte. Die Debatte dreht sich aber gerade um die Frage, warum heute in Russland dem Massenmörder wieder so viele nachtrauern?

Stalin werde von einigen tatsächlich wie ein Superstar verehrt, meint der prominente Publizist Nikolai Swanidse im Boulevardblatt «MK». «Er ist schon nicht mehr der blutrünstige Diktator, sondern fast Jesus Christus», schreibt er provozierend. Swanidse kritisiert, die «Daumenschrauben» würden heute wieder fest gezogen: «Das Volk kümmert sich nicht um Freiheit und Demokratie (...), willigt gleichmütig in alles ein, stimmt einhellig ab. Und hasst wieder Amerika.»

Menschenrechtler und Historiker kritisieren seit Jahren, dass nach einer Phase der Offenheit und des Umbruchs – Glasnost und Perestroika – viele Archive heute wieder verschlossen seien. Da sei es schwer, die Menschen überr Stalinas Verbrechen aufzuklären. Stalins Todeslager – der Gulag –, die Erschiessungen von Kirchenleuten und anderen Unschuldigen, die grosse Hungersnot, diese ganze brutale Unmenschlichkeit der Stalinzeit komme in öffentlichen Debatten nicht vor, monieren sie.

Es gebe Organisationen, die relativ frei forschen können und sich um eine Aufarbeitung der Stalin-Zeit bemühen, sagt SRF-Korrespondent Christof Franzen. «Aber man muss schon sagen, dass viele Archive verschlossen bleiben. Zudem habe ich das Gefühl, dass sich Russland vor einer Aufarbeitung fürchtet.» Man habe Angst davor, das man merken würde, dass die Schuld Stalins viel grösser war, als heute angenommen, erklärt Franzen weiter.

Stalin als «effektiver Manager»

Das russische Staatsfernsehen widmet sich statt dessen verständnisvoll dem Menschen Stalin, der in schwerer Zeit schwierige Entscheidungen habe zu treffen müssen. Wolgograd – das fordern Machtpolitiker – sollte wieder Stalingrad heissen, und das nicht nur an Gedenktagen. Der Name der Stadt war 1961 im Zuge der Entstalinisierung geändert worden. Der alte Name Stalingrad, so meinen die Politiker, sollte nun dauerhaft an den Sieg über Hitlerdeutschland erinnern. In der Moskauer Metro gab es eine Inschrift; nach Stalins Tod wurde sie gelöscht, heute verkündet sie wieder im sowjetischen Stil: «Stalin hat uns die Treue zur Nation anerzogen.»

In den Schulen wird Stalin vor allem als «effektiver Manager» und Gründer einer Grossmacht vorgestellt. Der Tod von Millionen Menschen und die Repressionen rücken in den Hintergrund. Viele Eltern sind darüber entsetzt. Der Historiker Alexander Vatlin von der Moskauer Lomonossow-Universität sieht die Gefahr, dass Stalin als «Symbol des Mutes und der Autorität» auch unter jungen Menschen an Popularität gewinne.

Mehr Ordnung und Gerechtigkeit zu Stalins Zeit

Für das offizielle Moskau sei der Todestag kein Grund zum Feiern, betont Franzen. «Sowohl Medwedew und Putin haben zwar in unterschiedlicher Schärfe aber doch beide eine persönliche Verantwortung Stalins an der Repression an den Massenmorden anerkannt.»

Rote Nelken für roten Diktator

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Zum 60. Todestag von Sowjetherrscher Josef Stalin haben Kommunisten auf dem Roten Platz in Moskau ihres früheren Helden gedacht. Stalins «eiserne Gangart» habe das Imperium aus der Krise geführt, sagte Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, der im Parlament die zweitstärkste Fraktion nach der Kremlpartei Geeintes Russland führt.

Was man heute aber sicher sehen werde, sind die Kommunisten und ihre Parteileitung, die am Grab Stalins an der Kreml-Mauer Blumen niederlegen werden. Im Gegensatz zu Lenin, von dem es im ganzen Land noch Denkmäler gibt, ist Stalin kaum mehr sichtbar in der Öffentlichkeit. Aber für viele Menschen sei er in den Köpfen sehr präsent, sagt Franzen. Für viele Russen sei er die wichtigste historische Figur überhaupt. Das habe damit zu tun, dass es keine eindeutige Verurteilung gegeben habe.

«Man sagt zwar Ja, es hat Repressionen gegeben, es hat Opfer gegeben, aber handkehrum hat Stalin den Krieg gewonnen und die Industrialisierung vorwärts getrieben» stellt Franzen fest.  Zudem habe es zu seiner Zeit mehr Ordnung und Gerechtigkeit gegeben. Es gebe also ein richtiges Stalin-Revival, das auch durch Umfragen belegt werde, die Stalin in einem besseren Licht sehen.

Neue Geschichtsbücher braucht das Land

Rund 48 Prozent der Befragten halten seine Rolle in der Geschichte für gut, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Lewada im Herbst. Noch vor 15 Jahren hätten 60 Prozent der Russen den blutigen Herrscher negativ eingeschätzt; heute liege ihr Anteil nur noch bei 22 Prozent.

Kremlchef Wladimir Putin hat nun ein für alle im Land gültiges Geschichtsbuch in Auftrag gegeben. Dieses soll keine Widersprüche mehr enthalten. Kommentatoren warnen davor, dass die Figur Stalin weiter benutzt werde, um die Gesellschaft zu spalten und von wichtigen Fragen abzulenken. «Es wird so viel über Stalin geredet, weil es an einer realen Politik fehlt», sagte der Schriftsteller Michail Weller bei einem Runden Tisch zum 60. Todestag von Stalin.

Russland spüre bis heute die schweren Folgen von Stalins kommunistischer Kommandowirtschaft, sagte der Ökonom Michail Alexejew bei der Debatte in Moskau. Die Behörden halten in vielen Bereichen am Staatseigentum fest. Dies mache dem Land zu schaffen. Auch Historiker und Politologen kamen zu Wort. Doch eine gemeinsame Linie zeichnet sich nicht ab.

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