In Serbien ist heute so viel Flugsprit und Diesel verbrannt worden, wie nie mehr, seit Ende des Kosovo-Krieges 1999. Seit Jahren klagen die Militärpiloten, der Flugwaffe fehle der Treibstoff für ein seriöses Flugtraining.
An der Militärparade zum Gedenken der Befreiung Belgrads von der deutschen Besatzung vor 70 Jahren wurde jedoch mit nichts gespart: Mehr als 4500 Soldaten marschierten auf, über 300 Militärfahrzeuge und dreissig Panzer zogen vorbei und 45 Flugzeuge und Helikopter flogen über die Köpfe von Tausenden begeisterter Zuschauer.
Ohne Putin gäbe es diese Militärparade nicht
Auf der Ehrentribüne Stargast Vladimir Putin, Russlands Präsident. «Ohne Putin gäbe es diese Militärparade nicht», sagt Filip Svarm, Journalist des Belgrader Wochenmagazins VREME. Die Regierung setze die Parade als Mittel zum Zweck ein. Zum einen zu Putins Ehren, zum anderen wolle die Regierung an Popularität im Volk gewinnen
Die Regierung Vucic knüpft bewusst an die jugoslawische Tradition der Militärparaden an. Die letzte wurde 1985 abgehalten. Sechs Jahre später begann der Zerfall Jugoslawiens. Die Paraden wurden zelebriert als Feiern zum Sieg der antifaschistischen Tito-Partisanen über die nazideutschen Besatzer. Sonntäglich gekleidete Familien pilgerten jeweils aus ganz Jugoslawien an die Belgrader Militärparade. Danach gab es für die Kinder Cevapi und Limonade.
Staatspräsident Nikolic wählt starke Worte
Diese nationale Begeisterung möchten Serbiens Staatspräsident Tomislav Nikolic und Ministerpräsident Aleksandar Vucic wieder auferwecken. Der Unterschied sei jedoch grundsätzlich, meint Journalist Svarm. Die jetzigen Machthaber seien nie Antifaschisten gewesen. «Sie sind politisch Konvertierte, die sich jetzt den antifaschistischen Mantel umhängen, nachdem sie sich bereits von Anti-Europäern zu glühenden EU-Bewerbern gewandelt haben», sagt Svarm.
Die Regierung will Serbien schnellstmöglich in die EU führen. Und auch dem nationalistischen Präsidenten Nikolic ist klar, dass ein Abseitsstehen bei den EU-Sanktionen gegen Russland für den EU-Kandidaten Serbien nicht opportun ist. Deshalb greift Nikolic zu starken Worten: Serbien fehlten im Staatsbudget 600 Millionen Euro und müsse deshalb Altersrenten und Staatslöhne kürzen. In dieser Not könne Serbien nicht auf die 800 Millionen Euro aus dem Handel mit Russland verzichten. «Das wäre das Ende Serbiens. Kein Geldgeber der Welt würde uns diesen Betrag ersetzen. Zudem würde Serbien allen Respekt verlieren.»
Lächelnder Putin auf der Ehrentribüne
Respekt erwiesen Staatspräsident Nikolic und die Regierung dafür dem russischen Präsidenten Putin. Lächelnd machte Ehrengast Putin der EU deutlich, dass sein Einfluss bis in die Hauptstadt eines EU-Beitritts-Kandidaten hinein reicht.
Nichts-desto-trotz bleibe Serbien auf EU-Kurs, betont Regierungschef Vucic immer wieder. Die meisten Regierungschefs in Europas Hauptstädten glauben ihm dies sogar. Ihnen ist das politische Vergangenheit von Vucic und seine Freundschaft mit Putin nicht so wichtig, solange er Serbien reformieren und stabilisieren kann.
Serbien auf schmalem Grat unterwegs
Der Grat, auf dem sich Serbien bewegt, wird Ende Jahr noch schmaler. Serbien übernimmt von der Schweiz den Vorsitz der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Ukraine-Krise verdeutlicht, wie wichtig Diplomatie, Neutralität und Durchsetzungsfähigkeit in der OSZE sind. Ob Serbiens Aussenminister als OSZE-Vorsitzender dann mit russischen Ansprüchen umzugehen weiss, wird wichtiger sein als die heutige Militärparade für Putin in Belgrad.