Im autoritären Stadtstaat Singapur muss ein Teenager, der nach Kritik an Staatsgründer Lee Kuan Yew verurteilt worden ist, erneut in Untersuchungshaft. Der 16-Jährige Amos Yee hatte ein Video mit abfälligen Bemerkungen über Lee und Jesus im Internet hochgeladen. Nach dem Schuldspruch wegen Verbreitung obszönen Materials und Beleidigung einer Religion lud er das Video erneut hoch, wie die Staatsanwaltschaft berichtete.
Es droht Umerziehung
In Singapur erfolgen Schuldspruch und Verkündung des Strafmasses nicht am gleichen Tag. So wollte die Richterin das Strafmass eigentlich heute Dienstag verkünden, ordnete stattdessen nun aber Untersuchungshaft für Yee an. Sie will erst in drei Wochen entscheiden, ob der Übeltäter in eine Jugendanstalt zur Umerziehung eingewiesen werden soll. «Die Singapurer Regierung will, dass Amos Yee nachgibt und sich reuig zeigt», schätzt SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger die Situation ein. Er hält sich derzeit in Singapur auf.
Doch der 16-Jährige verweigert sich der Reue: Yee habe bei der Anhörung sehr jungenhaft, aber auch sehr entschlossen, fast aufsässig gewirkt, so Gsteiger. Nun droht ihm tatsächlich ein bis zu zweieinhalb Jahre langer Aufenthalt in einer Umerziehungsanstalt. «Dort herrschen gefängnisähnliche Zustände und es gibt, was man hier in Singapur ‹intensive Beratung› nennt», erklärt der Korrespondent. Dabei könne man auch von einer Art Gehirnwäsche sprechen. Ausserdem würden die Insassen körperlich gedrillt.
Singapurer wollen frei sein
Singapur kenne traditionell einen eher harten Kurs gegenüber jenen, die gewisse Grenzen überschritten, so Gsteiger weiter. Vor allem was die Kritik an der Staatsführung betreffe, gebe es enge Grenzen. Doch für die Regierung werde es immer schwieriger, diese Linie durchzusetzen. «Viele Leute sind der Regierung nicht mehr ständig dankbar, dass sie wirtschaftliches Wohlergehen ermöglicht.» Zu normal sei inzwischen der Wohlstand in Singapur.
Ausserdem gebe es immer mehr gut ausgebildete junge Menschen, die im Ausland waren und dort die Freiheit erlebt hätten. «Sie möchten auch zuhause mehr Freiheit.» Der Druck von unten nehme also zu, konstatiert Gsteiger. Entsprechend sei die Regierung verunsichert, wie sie darauf reagieren wolle: «Sie wird irgendwann vor der Entscheidung stehen, sich auch politisch etwas zu öffnen oder den Druck auf die wachsende Opposition massiv zu erhöhen.»