Auf den Ranglisten der Medienfreiheit liegen Katar und erst recht die übrigen Golfstaaten hinten, weit hinten. Doch das dürfe kein Grund sein für eine Medienfreiheitsorganisation, ein Land zu meiden, sagt Barbara Trionfi, Direktorin des International Press Institute IPI, dem auch Schweizer Radio und Fernsehen angehört.
Man führe den Medien-Weltkongress oft genau an Orten durch, wo es Veränderungen brauche. Tatsächlich liess Katar unmittelbar, bevor Chefredaktoren und Verleger aus aller Welt einflogen, den wegen Kritik am Emir zu fünfzehn Jahren Haft verurteilten Schriftsteller Mohammed al-Adschami frei.
Israeli unverwünscht
Das IPI habe, so Trionfi, klare Bedingungen gestellt, um nach Katar zu kommen: Keine Vorschriften dazu, wen man zum Weltkongress einlade, keine darüber, welche Themen man aufgreife. Das habe Katar akzeptiert. In einem Punkt gab man dennoch klein bei: Israelischen Mitgliedern und Gästen wurde die Einreise verweigert.
Tatsächlich wird nun seit vier Tagen in Doha lebhaft und streitbar über die Medienfreiheit debattiert, die es im Land selber kaum gibt. Ein Menschenrechtler aus Bahrain zieht über die Unfreiheit in den Golfstaaten her.
Eine mutige lokale Journalistin, die Chefin der Webseite Doha News, Shabina Khatri, erklärt: «Alle im Land wissen, wie schlecht Gastarbeiter aus der Dritten Welt in Katar behandelt werden. Doch jahrelang wurde das Thema von den Medien tabuisiert.» Erst allmählich werde es aufgegriffen. Heikle Themen werden also debattiert.
Alle im Land wissen, wie schlecht Gastarbeiter aus der Dritten Welt in Katar behandelt werden.
Auffallend aber auch: Die katarischen Medien blenden die Medienfreiheitsdiskussion, die zurzeit vor ihrer Tür stattfindet, weitgehend aus. Der staatliche Fernsehsender bietet wie üblich öde Debatten zu harmlosen Themen.
Die Zeitungen drucken im Politikteil, zwar auf Hochglanzpapier, wie sonst seitenweise Staatstragendes. Etwa darüber, welcher ausländische Botschafter von welchem katarischen Minister empfangen worden war und dass man über die guten Beziehungen der Länder gesprochen habe. Banalitäten.
Erinnerungen an eine «frische Brise»
Und der wichtigste Sender in der arabischen Welt, Al-Dschasira, der von der katarischen Monarchie finanziert wird, berichtet auch jetzt lieber über Probleme anderswo als über jene zuhause.
Al-Dschasira, das die drei zurzeit in Doha stattfindenden Medienkongresse mitorganisiert, ist ohnehin ein heikler Fall. Nach seiner Gründung vor 20 Jahren galt der Sender als Leuchtturm. Professor Mark Farha, der am Doha Institute für weiterführende Studien lehrt, sagt es so: «Es war schon eine Brise frischer Luft.»
Doch spätestens seit dem arabischen Frühling, in dem Katars Regierung in Ägypten, Syrien oder Libyen dezidiert Position gegen die alten Diktatoren und für islamistische Parteien bezog, hat Al-Dschasira Schlagseite.
Aus Protest verliessen damals laut Farha mehr 50 der besten Reporter Al-Dschasira Darunter etliche Schiiten. Andere wurden entlassen. Es gebe gewiss noch professionelle Standards, aber man spüre den ideologischen Druck, so Farha weiter.
Ebenfalls entlassen wurde der holländische Chef des von der Regierung geschaffenen Doha-Instituts für Medienfreiheit. Er nahm offenbar diese Freiheit zu ernst, äusserte sich zu kritisch.
Fussball-WM als Hoffnungsschimmer?
Mustapha Souag, Generaldirektor von Al-Dschasira, will von Einschränkungen von oben nichts wissen. Man arbeite professionell, das bleibe so, behauptet er. Er geht gar noch weiter: Man funktioniere wie die BBC, wie die SRG. Jedem neuen Journalisten sage er, man müsse in der Berichterstattung keinerlei Rücksicht auf den Zahlmeister von Katar nehmen, auf den Emir.
Wir funktionieren wie die BBC, wie die SRG.
Schaut man manche Programme von Al-Dschasira, kommen Zweifel. Zumindest die Selbstzensur ist ausgeprägt. Dennoch bewegt sich auch in den Golfstaaten etwas. Es gibt weniger Tabuthemen, es gibt bisweilen kritische Berichte und einzelne Medien, welche die Freiheiten ausschöpfen, die sie laut Verfassung und Gesetz gar nicht haben.
Shabina Khatri von Doha News: «Nachdem Katar inzwischen auch wegen der bevorstehenden Fussball-WM, international im Scheinwerferlicht steht, tut sich etwas. Wenngleich sehr langsam.»