Vor einem handverlesenen Publikum treffen sich bei der Denkfabrik German Marshall Fund der frühere Chef des saudischen Geheimdienstes und der Ex-Chef von Israels Militärgeheimdienst. Sie duzen sich nicht, obschon das auf internationalen Politikertreffen mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme ist.
Sie sprechen sich mit «General» und mit «Prinz» an. Sie tragen fast identische dunkelgraue Anzüge und blaue Krawatten, der 69-jährige saudische Aristokrat, Sohn des früheren Königs Faisal, und der 63-jährige israelische Militär, der als Kampfpilot an der Zerstörung von Saddam Husseins Atomreaktor Osirak beteiligt war.
Stillschweigen bezüglich früherer Treffen
Zwar ist die Atmosphäre zuerst noch steif. Doch sie reden, wie sie beteuern, gern miteinander, betont Prinz Turki. Ein Vierteljahrhundert leitete er Saudi-Arabiens Geheimdienst und ist noch heute der wichtigste Aussenpolitiker des Königreichs.
Amos Yadlin führte Israels Militärgeheimdienst. Er gehört auch heute noch zum Sicherheits-Establishment seines Landes. Beide, Yadlin und Turki, verschweigen übrigens, ob sie sich schon früher getroffen haben. Das ist natürlich streng geheim.
Kurz vor dem Treffen in Brüssel wird im Jüdischen Museum ein Anschlag verübt. Der saudische Prinz Turki zollt deshalb den Attentatsopfern Tribut. General Yadlin revanchiert sich, indem er König Abdullah für dessen Nahost-Friedensinitiative lobt.
Einigkeit bei Konfliktherden Iran und Syrien
Gestritten wird, wenn auch in höflichem Ton, zunächst über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Aber kurz darauf wird bei dieser historischen Begegnung auch gelacht. Und bei manchen Themen ist man sich in der Sache sogar weitgehend einig. Etwa beim Iran-Atomkonflikt. Noch immer, so der Israeli, weigere sich das Regime in Teheran, das Atomprogramm nachhaltig herunterzufahren.
Er fürchtet, die UNO-Vetomächte würden bald ein schlechtes Abkommen mit dem Iran abschliessen. Prinz Turki findet es zwar noch zu früh zu beurteilen, ob ein allfälliges Abkommen gut oder schlecht sei, doch die Unklarheit darüber, wer in Teheran wirklich den Ton angibt, irritiert ihn. «Mit wem soll man sprechen?», fragt er.
Einig sind sie sich in der Annahme, Teheran verhandle nicht aus Einsicht, sondern bloss um die Sanktionen loszuwerden. Irans Wirtschaft drohe sonst zu kollabieren.
Übereinstimmung herrscht auch beim zweiten Grosskonflikt im Nahen Osten, jenem in Syrien. Auf allen Seiten seien dort die übelsten Elemente der Region am Drücker, sagt der Saudi: Assads Schergen, die schiitischen Fanatiker, darunter die Hisbollah und die sunnitischen Extremisten, die der Al Kaida nahestehen.
Prinz hat zwei unerfüllte Wünsche
Der Israeli sieht es exakt gleich: «Ich sehe das zu 100 Prozent genauso wie der Prinz.» Und beide finden, man müsse die gemässigte Opposition gegen das Assad-Regime unterstützen. Und beide fordern ebenfalls, die USA dürften sich angesichts der Tragödie in Syrien nicht länger derart zurückhalten.
Fast schon freundschaftlich endet das 90-minütige Gespräch. Der General lädt den saudischen König nach Jerusalem ein: Zum Gebet in einer Moschee, und dazu, in der Knesset zum israelischen Volk zu sprechen. Der Prinz meint, das sei unmöglich, solange der Nahost-Konflikt ungelöst sei. Aber gesteht, dass er gerne in der Heiligen Stadt beten würde. Das habe er seinem Vater auf dem Totenbett versprochen.
Abraham, Moses – das seien doch auch die Propheten der Muslime. Zudem äussert der saudische Königssohn noch einen weitaus weltlicheren Wunsch: Frische Jaffa-Orangen würde er gerne mal kosten. Sie würden oft in der muslimischen Literatur beschrieben und hätten seit Jahrhunderten den Ruf, die besten der Welt zu sein.