In den alten Casinotempeln mit den blinkenden Lichtern in Reno, Nevada, verspielt der kleine Mann sein Geld im Nu. Ganz in der Nähe befindet sich ein schlichtes braunes Bürogebäude, wo Gutbetuchte ihr Vermögen für kommende Generationen aufbewahren. «Dies ist der inoffizielle Sitz der Trust-Industrie Nevadas», so Gregory Crawford, Präsident der Alliance Trust Company, die im Parterre einquartiert ist.
Ganz oben im zwölften Stock ist das Büro der Trust-Abteilung der Genfer Privatbank Rothschild. Sie betreut eine exklusive Kundschaft mit Vermögen ab 100 Millionen Dollar und wollte nicht mit SRF reden. Crawford ist gesprächiger.
In jüngster Zeit häuften sich die Anfragen aus dem Ausland, sagt der Treuhänder: «Grund ist die Privatsphäre. Mit dem Steuerdatenaustausch der OECD stellt sich die Frage, was mit diesen Daten geschieht, wer sie sehen wird. Familien überdenken deshalb den Standort für ihr Vermögen.»
USA machen bei AIA nicht mit
In den kommenden zwei Jahren soll der automatische Informationsaustausch (AIA) beginnen. Über 90 Länder und Gebiete beteiligen sich daran, darunter bisherige Steueroasen wie die Schweiz, einige Karibikinseln und Singapur.
Die USA hingegen stehen abseits. Sie werden deshalb als Standort attraktiv, an dem finanzielle Diskretion noch gewährt wird. Alliance Trust arbeite mit Schweizer Vermögensverwaltern zusammen und habe Geld angezogen, das bisher in der Schweiz verwaltet wurde, bestätigt Crawford: «Es tut mir leid für die Vermögensverwalter in der Schweiz. Es war nicht so geplant, aber so wie es gekommen ist, sind die USA für viele Kunden attraktiv geworden.»
Es tut mir Leid für die Vermögensverwalter in der Schweiz. Es war nicht so geplant.
Das internationale Umfeld hilft dem Standort Nevada gewiss. Doch der US-Bundesstaat, der vom Glücksspiel sowie den Gold- und Silberminen lebt, hat in den letzten Jahren kräftig nachgeholfen und gesetzlich neue Trustvehikel geschaffen. Mit ihnen können Vermögende Steuern sparen oder ihr Geld vor den Ansprüchen von Kreditoren oder scheidenden Ehepartnern in Sicherheit bringen. Damit holte Nevada gegenüber bisherigen Trust-Standorten wie etwa Delaware auf.
Ann Rosevear ist Präsidentin von Dunham Trust in Reno. Die Firma arbeitet mit der UBS-Tochter in den USA zusammen. Auch sie erhält weit mehr Anfragen aus dem Ausland als früher. Geld aus Südamerika, Grossbritannien und den Bahamas werde nach Nevada transferiert, stellt sie fest. «Es sind manchmal Einzelpersonen, öfters aber ausländische Treuhänder, die in letzter Zeit auf die USA aufmerksam wurden.»
1000 Briefkastenfirmen in Las Vegas aufgedeckt
Auch Gino Pescucci von Premier Trust, dem grössten solchen Anbieter in Nevada, wird häufiger aus dem Ausland kontaktiert, obwohl Premier nur mit US-Kunden geschäftet: «Die Anrufe kommen aus Südamerika, Europa. Neulich hatten wir welche aus Deutschland und Australien», sagt Pescucci.
Die neue Attraktivität Nevadas birgt auch Risiken. So war der sogenannte «Silver State» in den Panama Papers aufgeführt, die dieses Jahr öffentlich machten, wie das panamaische Anwaltsbüro Fonseca das Geld der Reichen mit einem internationalen Netzwerk von Schattenfirmen versteckte. Fonseca hatte in Las Vegas eine Niederlassung, die mehr als 1000 Briefkastenfirmen vertrat.
Anrufe kommen aus Südamerika, Europa. Neulich hatten wir welche aus Deutschland und Australien.
Die Obama-Regierung erliess daraufhin neue Regeln, laut denen Finanzfirmen ihre ausländischen Kunden besser identifizieren müssen. Das dürfte aber nicht genügen, um internationale Steuerhinterzieher abzuschrecken, da die USA keine Daten zu Trusts mit dem Ausland austauschen. Auf die Frage, wie er garantiere, dass Offshore-Gelder versteuert sind, seufzt Gregory Crawford.
Keine Garantie, dass Gelder versteuert sind
«Wir verlangen von unseren Kunden eine eidesstattliche Erklärung, dass sie ihre Steuern bezahlt haben», sagt er. «Wir geben uns Mühe, zu versichern, dass das Geld versteuert ist. Aber ich kann nicht alle ausländischen Steuergesetze kennen.» Für Ausländer wäre es möglich, Geld in einem Trust in Nevada vor ihrem Fiskus zu verstecken, räumt er ein. «Aber wir versuchen, sowas im Trust-Fund-Verband zu verhindern. Denn es wäre mittelfristig ein grosses Problem für unseren Standort.»
Das Interesse an den USA als Standort für ausländisches Vermögen dürfte weiter wachsen, da der internationale Steuerdatenaustausch der OECD nächstes Jahr beginnt. Neben der Privatbank Rothschild haben weitere Schweizer Finanzboutiquen vorgesorgt. Laut dem Finanznachrichtenportal Bloomberg hat die Firma Trident Trust Company Dutzende von Konti aus der Schweiz, den Cayman Islands und anderen Standorten nach South Dakota transferiert. Die Genfer Firma Cisa Trust öffne ebenfalls eine Niederlassung in South Dakota, so Bloomberg.
Kongress müsste zur Datenerhebung verpflichten
Die Gefahr, dass sich die Lage für die boomende Trust-Industrie in den USA verschlechtert, ist so gut wie inexistent. Crawford erklärt: «Niemand in den USA unterstützt Steuerhinterziehung. Aber wir könnten nicht einmal beim internationalen Steuerdatenaustausch mitmachen, wenn wir es wollten.» In den USA werden viele der von der OECD geforderten Finanzdaten gar nicht erhoben. Der Kongress müsste aktiv werden und die Finanzinstitute gesetzlich dazu verpflichten, sie an die Steuerbehörde IRS zu melden. Das ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario.
Es entbehrt nicht einer Ironie. Die USA haben Länder wie die Schweiz massiv unter Druck gesetzt, weil sie unversteuertes US-Geld verwalteten. Doch ausgerechnet Bundesstaaten wie Nevada, Delaware, South Dakota und Wyoming werden nun attraktiv für Ausländer, die ihr Vermögen vor dem Fiskus verstecken wollen.