«Es war wirklich schwierig, 43 Firmen, 98 Grundstücke, Immobilien und 50 Konti teilweise auch im Ausland ausfindig zu machen und all dies im Wert von 1,3 Milliarden Euro zu konfiszieren.» Mit diesen Worten wandte sich der Direktor der Anti-Mafia-Behörde, Arturo de Felice, in den frühen Radionachrichten an die Öffentlichkeit.
Auf die Spur des seltsamen Milliardärs stiessen die Ermittler dank eines Tipps aus der italienischen Nationalbank vor drei Jahren, wie de Felice gegenüber Radio SRF berichtet: So stellte die Notenbank bei der Überwachung der Geldflüsse fest, dass der Elektriker Vito Nicastri nur ein sehr kleines Einkommen versteuerte, aber ein Milliardenvermögen besass.
Nicastri blieb Antworten schuldig
Bereits vor 3 Jahren beschlagnahmten die Anti-Mafia-Ermittler erste Vermögenswerte. Laut italienischem Gesetz musste Nicastri darauf stichhaltig erklären, wie er zu all den Firmen kam. Dies gelang ihm nicht, womit die Ermittler in der Nacht auf heute alles konfiszierten.
Nicastri machte sein Vermögen mit dem Bau von Wind- und Solaranlagen. Das ist kein Wunder: Bis vor kurzem förderte der italienische Staat mit Milliardenbeiträgen die Produktion sauberer Energie. Nicastri ist nicht der einzige, der davon profitierte – mit krummen Geschäften. Aber keiner wurde dabei so reich.
Nicastri sei ausschliesslich im Gebiet um das sizilianische Trapani aktiv gewesen, stellte Chef-Fahnder de Felice weiter fest. Dort aber mache keiner grosse Geschäfte ohne die Cosa Nostra. Nicastri habe als kleiner Elektriker angefangen. Auf unerklärliche Weise habe er plötzlich über ein ansehnliches Startkapital verfügt, um mit dem Bau von Solar- und Windparks zu beginnen.
Strohmann des obersten Mafiabosses?
Entsprechend ist sich de Felice sicher, dass Nicastri nur ein Strohmann ist und hinter ihm Matteo Messina Denaro steht. Dieser ist der Chef der Cupola, des Leitungsgremiums aller Mafiaclans auf Sizilien. Denaro ist der meistgesuchte Mafiaboss Italiens und Herrscher über das Gebiet um Trapani.
Die Anti-Mafia-Ermittler sind deshalb umso zufriedener über ihren Schlag. Arturo de Felice drückt es so aus: «Nimmt man einem Mafiaboss die Besitztümer weg, ist das für ihn viel bedrohlicher als Gefängnis. Denn von dort aus kann er meist aktiv bleiben. Nimmt man aber sein Geld, kann er seine Familie, Anwälte und Handlanger nicht mehr bezahlen. Seine Macht bricht weg.»
In Italien können die Ermittler seit Mitte der 90er Jahre Mafiavermögen konfiszieren und in staatlichen Besitz überführen, wenn der Besitzer nicht nachweisen kann, wie er dazu gekommen ist. Die Schweiz kennt seit kurzem ein ähnliches Gesetz, hat bei der Anwendung aber noch wenig Erfahrung. Im übrigen Europa zögert man noch, ähnliche Gesetze in Kraft zu setzen. Den Mafia-Clans von Stuttgart bis Stockholm ist das recht.