Nach einem Angriff auf syrische Soldaten durch Kampfflugzeugen der von der USA geführten Koalition steht die Waffenruhe auf der Kippe. Beim Luftschlag südlich von Deir Essor im Osten des Landes auf vermeintliche IS-Kämpfer wurden mindestens 60 syrische Regierungssoldaten getötet und 100 weitere verletzt. Aktivisten sprechen mittlerweile gar von 90 Toten.
Die USA erklärten, man bedauere den irrtümlich erfolgten Beschuss. Man sei davon ausgegangen, dass es sich um Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehandelt habe. Auch habe Russland keine Bedenken geäussert, als es von den USA im Vorfeld über geplante Angriffe in dem Gebiet informiert worden sei.
Die US-Armee teilte mit, der Angriff sei sofort abgebrochen worden, nachdem Russland darauf hingewiesen habe, dass es sich nicht um IS-Stellungen handle. An dem Luftschlag waren auch australische Kampfjets beteiligt.
Das russische Aussenministerium sagte zum Angriff, der Vorfall liege «an der Grenze zwischen krimineller Fahrlässigkeit und direkter Duldung von Terroristen des IS».
Russischer UNO-Botschafter verlässt Sitzung
Der UNO-Sicherheitsrat befasste sich noch in der Nacht zum Sonntag in einer von Russland geforderten Dringlichkeitssitzung mit dem Angriff. Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin verliess die Sitzung bei der Ankunft der US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power.
Power ihrerseits warf Russland Scheinheiligkeit und Effekthascherei vor, weil es die Sitzung des höchsten UNO-Gremiums beantragt habe. Die syrische Regierung greife «mit einer beängstigenden Regelmässigkeit bewusst zivile Ziele an», und Russland tue nichts, um dies zu verhindern.
Chance auf Waffenruhe dennoch intakt?
Aus russischer Sicht verletzten die USA mit ihrem Angriff die eben erst vereinbarte Waffenruhe. «Ehrlich gesagt weiss ich nicht, was der nächste Schritt sein wird», sagte Tschurkin in New York. Als endgültig gescheitert bezeichnete er die vereinbarte Waffenruhe aber nicht.
Die USA würden sich weiterhin an die Bedingungen der Waffenruhe halten und zugleich – gemäss der Vereinbarung – die Terrormiliz IS weiter bekämpfen, heisst es aus Washington. Auch SRF-Korrespondent Peter Düggeli geht davon aus, dass die USA hinter den Kulissen weiterhin versuchen werden, mit Russland zusammenzuarbeiten. Der Druck auf Präsident Barack Obama sei gross, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit doch noch etwas in Richtung Frieden in Syrien hinzubekommen.
Auch für SRF-Korrespondent Christof Franzen in Moskau ist es vorstellbar, dass der irrtümliche Luftschlag noch nicht das Ende der Waffenruhe sein muss. Denn Russland habe ein grosses taktisches Ziel: «Sie wollen die Opposition gegen Assad spalten. Sie wollen genau definieren, welche Gruppierungen man als Terroristen bezeichnen kann und diese Gruppen dann bekämpfen.» Hier würden die Russen die Amerikaner nach wie vor ins Boot holen wollen, so Franzen.
Russland und die USA wollten ursprünglich dazu übergehen, die IS gemeinsam anzugreifen. Aber nur, wenn die siebentägige Waffenruhe hält.